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Aktuelle Entwicklungen im Supply Chain Management

[21.08.2007]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Die Bedeutung des SCM nimmt in volatilen und komplexer werdenden Märkten zu. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, dass ein nachhaltig erfolgreiches Wachstum ohne die Partner innerhalb der Wertschöpfungskette an die Grenzen stößt. Das IT-Wirtschaftsmagazin CIO führte dazu ein Interview mit Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann, welches die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Supply Chain Managements aufzeigt.

CIO: Wie sieht die Beratung im Bereich SCM von Ihrer Seite aus? Da bei SCM verschiedene Unternehmen zusammen spielen, aber wahrscheinlich nur eines der Kunde ist, scheinen mehr Reibungsmöglichkeiten gegeben zu sein.

Prof. Wildemann: In den meisten Fällen erfolgt der Auftrag nur von einem Unternehmen. Häufig sind aber gerade die Reibungsprobleme zwischen den Unternehmen in der Supply Chain Auslöser für die Durchführung von Projekten. Der Impuls hierfür kommt durchaus nicht immer vom dominierenden Unternehmen. Vielmehr sehen sowohl die OEM als auch deren Supplier Beratungsbedarf. Insbesondere dann, wenn es seitens der Supplier um die Erfüllung von Anforderungen des OEM geht und seitens der OEM, wenn die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungskette und der damit verbundenen Anforderungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten im Mittelpunkt stehen. Nicht selten führt das dazu, dass sich beide Unternehmen zusammenfinden und gemeinsam eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung erarbeitet wird.

Auf welche Probleme stoßen sie bei SCM-Projekten am häufigsten?

Eines der häufigsten Probleme, mit dem wir konfrontiert werden, sind Schnittstellenprobleme. Die Problematik ist nicht ganz unbekannt. Schon immer waren suboptimal ausgestaltete Schnittstellen ein Quell ineffizienter Abläufe. Mit der Erweiterung der Prozessoptimierung über die Unternehmensgrenzen hinaus erhält die Thematik weitere Brisanz. War es bisher eine Herausforderung innerbetriebliche Schnittstellen zu optimieren, gilt dies nun für die zwischenbetriebliche Kommunikation. Eine effiziente Ausgestaltung der Wertschöpfungskette bedingt, dass die Unternehmen nicht nur Informationen austauschen, sondern eine offene, vertrauensvolle Kommunikation im Sinne einer Kollaboration vorantreiben. Weitere, ebenso häufig auftretende Probleme ergeben sich aus der Planungssystematik und dem Managen von Komplexität in der Supply Chain.

Mit welchen Software-Lösungen haben Sie es bei den Kunden hauptsächlich zu tun?

Eine Vielzahl von Unternehmen nutzt SAP R3, ausgestattet mit der Möglichkeit des Öffnens des Systems für Dritte. Dies bedingt, dass die außen stehenden Nutzer wiederum ihre Systeme und Schnittstellen entsprechend ausgestaltet haben. Wir stellen auch immer wieder fest, dass auf Grund der Individualität der Unternehmen und ihrer Prozesse die SAP-Lösung suboptimal ist. Viele nutzen daher lediglich die Basiselemente und ergänzen diese um individuelle Lösungen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kommunikationsfähigkeit zu anderen Systemen.

Wie schätzen sie die Entwicklung auf der Seite der Software-Anbieter ein? Eine Marktbereinigung scheint es in Ansätzen zu geben (JDA kaufte Manugistics, i2 spielt in Dtld. kaum mehr eine Rolle).

SAP wird wohl weiterhin eine führende Rolle einnehmen. Aber auf Grund der erwähnten Probleme wird es einen Nischenmarkt für Software-Anbieter geben, die sich in der Lage sehen, individuelle Softwarelösungen zu gestalten und gleichzeitig die Kommunikation zu den Standardlösungen zu ermöglichen.

Welche Chancen haben Nischenanbieter?

Da in der Supply Chain die IT-Landschaft immer noch unterschiedlich ist, ergeben sich für Nischenanbieter mit Programmen mit begrenzter Lebensdauer auf Internet-Basis ein großes Betätigungsfeld. Hinzu kommen spezielle Auswertungs- und Kommunikations-Tools für unterschiedliche Partner im Netzwerk.

Welche Akzente setzen die größeren Anbieter? Womit versuchen sie, sich gegen die Mitbewerber abzusetzen?

Funktionalität von Systemen alleine dient heute nicht mehr der Abgrenzung zum Wettbewerb. Die größten Anbieter nutzen daher gezielt die Kenntnisse um die Bedürfnisse der Kunden und richten insbesondere ihre unterstützenden Prozesse hierauf aus. Sie bieten im Vorfeld der Entscheidungsfindung, welches System zum Einsatz gelangt, intensive Beratungstätigkeiten an, sie unterstützen die Datenmigration und begleiten den Einführungsprozess, verbunden mit Full-Service-Verträgen im Betrieb. Derartige Dienstleistungen können kleinere oder mittlere Softwareunternehmen kaum dauerhaft erbringen.

Inwieweit gibt es unterschiedliche Ansätze zum SCM in verschiedenen Industriezweigen?

Unter Supply Chain Management ist der Ansatz zu verstehen, unternehmensübergreifend Verschwendung und Blindleistung in der Wertschöpfungskette zu identifizieren und zu eliminieren, wobei die schnelle Reaktion auf einen veränderten Markt eine wesentliche Bedeutung zukommt. Dieser Grundgedanke ist in allen Industriezweigen gleich. Lediglich die Funktionalitäten unterscheiden sich in der Ausgestaltung des Supply Chain Managements.

Inwieweit ist SCM tatsächlich mehr als eine technische Lösung und eher eine Organisationsfrage über Unternehmensgrenzen hinweg. Oder ist das nur ein Allgemeinplatz? Und inwieweit schlägt sich das in der Beratungstätigkeit nieder?

Supply Chain Management ist vornehmlich eine Organisationsfrage. Sicherlich ist zur Lösung der Aufgabenstellungen, die sich aus dem Supply Chain Management ergeben ein technischer Support erforderlich, mehr aber auch nicht. Ich würde noch einen Schritt weiter gehen. Supply Chain Management beinhaltet auch mehr als nur die Beantwortung von organisatorischen Fragestellen. Ein erfolgreiches Supply Chain Management erfordert den Aufbau eines beidseitigen Vertrauensverhältnisses, getragen von einer offenen und weitreichenden Kommunikationsbereitschaft der Beteiligten. Transparenz des Informationsflusses, bei den Prozessen und beim Datenfluss ist unabdingbar. Das Ergebnis ist eine verbesserte Flexibilität bei veränderten Rahmenbedingungen, eine erhöhte Innovationsfähigkeit, eine verbesserte Zuverlässigkeit und eine erhöhte Problemlösungskompetenz. Erst dadurch entsteht für alle beteiligten Unternehmen ein Mehrwert.

Das Wissen, das wir in zahlreichen Projekten bei der Optimierung der innerbetrieblichen Wertschöpfungskette erwerben konnten, dient als Basis. Ergänzt wird dieses durch in Arbeitskreisen erworbenes Wissen sowie die enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen und die Integration verschiedener Partner in der Wertschöpfungskette. Durch die Zusammenführung dieser Wissenskomponenten gelingt uns der Transfer auf die jeweiligen Belange der Unternehmen.

Wie entwickelt sich das Thema SCM?
- Was bestimmt den Markt zurzeit?
- Welche Trends zeichnen sich ab, womit werden sich die Hersteller in absehbarer Zeit vermehrt auseinander setzen müssen?

Die Bedeutung des SCM nimmt in volatilen und komplexer werdenden Märkten zu. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, dass ein nachhaltig erfolgreiches Wachstum ohne die Partner innerhalb der Wertschöpfungskette an die Grenzen stößt. Auslöser hierfür ist die zunehmende Dominanz des Endkunden, sein kaum zu prognostizierendes Verhalten sowie steigender Kosten-, Umsatz- und Erlösdruck. Um weiterhin erfolgreich agieren zu können, müssen die Unternehmen den Spagat zwischen reiner Wettbewerbsbeziehung und Kooperation meistern. Daraus erwächst eine neue Kernkompetenz zur Bedienung der unterschiedlichen globalen Vertriebskanäle, aber auch zum effizienteren Managen der Lieferkette.

Literatur

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