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Die Conjoint-Analyse als unterstützende Methodik der Produktprogrammgestaltung - ein Praxisbeispiel

[21.09.2010]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com

Im Projektgeschäft und Maschinenbau ist die Orientierung an Kundenanforderungen seit jeher ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Etablierung am Markt. Die Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, ihr Produktprogramm einerseits möglichst vielfältig und variantenreich und andererseits gleichzeitig kostengünstig zu gestalten, um sich erfolgreich im Wettbewerb halten zu können. Bei solch einem Zielkonflikt ist es wichtiger denn je die tatsächlichen Kundenanforderungen zu kennen. In diesem Zusammenhang kann eine Kundenbefragung mittels einer Conjoint-Analyse helfen, Entwicklungs- und Gestaltungsschwerpunkte für ein standardisiertes Produktprogramm zu identifizieren, die ein möglichst breites Spektrum der marktseitigen Anforderungen abdecken.

Das Dilemma der Produktprogrammgestaltung

Aufgrund der Entgrenzung der globalen Märkte werden die Kundenanforderungen stetig heterogener und stellen Unternehmen einerseits vor die Herausforderung ihr Produktprogramm möglichst vielfältig und variantenreich zu gestalten, um möglichst alle Kunden vollumfänglich bedienen zu können. Andererseits zwingt der steigenden Wettbewerb und die Konkurrenz insbesondere aus Billiglohnländern die Firmen zu einer Reduktion der Variantenvielfalt, um ein marktkonformes Preisniveau halten zu können. Um diesem Dilemma möglichst optimal entgegentreten zu können, ist es wichtiger denn je die tatsächlichen Kundenanforderungen zu kennen. In diesem Zusammenhang kann eine Conjoint-Analyse helfen Entwicklungs- und Gestaltungsschwerpunkte für ein standardisiertes Produktprogramm zu identifizieren, die ein möglichst breites Spektrum der marktseitigen Anforderungen abdecken und den Kundennutzen somit maximieren.

Die Methode Conjoint-Analyse

Produktprogrammeigenschaften wie z.B. der Maschinenpreis, die Lieferzeit oder der Individualisierungsgrad, können durch Merkmale und Ausprägungen beschrieben werden. Diese Merkmale und Ausprägungen stehen im Untersuchungsfokus einer Kundenbefragung, mit dem Ziel die Kundenpräferenzen aus den Antworten ableiten zu können. Bei herkömmlichen Befragungen entscheiden sich viele Probanden gerne für die Maximal-Ausprägung eines Merkmals, so z.B. den geringsten zur Auswahl stehenden Preis, ungeachtet der Tatsache, dass diese Anforderung in Kombination mit anderen Merkmalsausprägungen, z.B. einem möglichst hohen Individualisierungsgrad des Produktes, unvereinbar ist. Mit Hilfe der Befragungstechnik „Conjoint-Analyse“ lassen sich jene Merkmale identifizieren, die der Kunde im Vergleich zu allen anderen Merkmalen am nützlichsten für sich bewertet. Ermöglicht wird diese „relative Beurteilung“ durch eine Trade-off-Systematik in einer online durchgeführten Kundenbefragung. Dem Probanden wird im Hauptteil der Conjoint-Analyse nicht die Möglichkeit gegeben, nur die für ihn beste Antwort auszuwählen, sondern er wird durch eine Gegenüberstellung von Leistungsbündeln, die zwar die gleichen Merkmale aber unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, gezwungen abzuwägen welche Ausprägung und damit implizit welches Merkmal für ihn wichtiger ist. Innerhalb der unterschiedlichen Conjoint-Verfahren bietet die adaptive und internetbasierte Conjoint-Analyse die größte Vielfalt in Bezug auf die Auswertungsmöglichkeiten sowie die höchste Genauigkeit bei der Messung der Nutzenverteilungen. Die Adaptivfunktion der Analysemethodik ermöglicht es, dass das System die im Laufe der Befragung zu bewertenden Leistungsbündel auf Basis der vom Probanden zuvor gegebenen Antworten erstellt und die Nutzenwertermittlung der Merkmale somit mit der Anzahl der gestellten Fragen zunimmt. Die eigentliche Ermittlung des Nutzens erfolgt durch Transformation merkmalsbezogener Teilnutzen in einen relativen Gesamtnutzen.

Ein Praxisbeispiel

Bei dem im Folgenden konkret zu betrachtenden aktuellen Fallbeispiel handelt es sich um einen international agierenden Hersteller für Verpackungsmaschinen für pharmazeutische Produkte. Das etablierte und renommierte Unternehmen ist dafür bekannt, die hohen kundenindividuellen Anforderungen an die Verpackungstechnologie der Pharma-Branche vollständig und zuverlässig erfüllen zu können. Als Gegenleistung honorierten die Kunden bisher diese konstruktive Leistung, indem sie ein Preisprämium akzeptierten. Aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs in der Pharma-Branche und dem damit einhergehenden Kostendruck für die Hersteller von Medikamenten, schienen sich die kaufentscheidenenden Faktoren für Verpackungsmaschinen allerdings geändert zu haben und die Auftragseingänge des betrachteten Unternehmens gingen stetig zurück. Aufgrund eines sehr geringen Standardisierungsanteils des gesamten Produktportfolios war es im Status quo allerdings nicht möglich, durch übliche Maßnahmen der Kostensenkung mit den marktüblichen Preisen mitzuhalten. Der Projektauftrag bestand daher in der Aufgabe mit Hilfe der Conjoint-Analyse die momentanen Kundenpräferenzen zu ermitteln, um darauf aufbauend das Produktprogramm zielgerichtet mit einem wesentlich höheren Fokus auf Standardisierung umgestalten zu können. Zu diesem Zweck wurden in mehreren interdisziplinären Workshops mit Experten des Unternehmens die wesentlichen Produktprogrammeigenschaften eines Verpackungsmaschinenherstellers identifiziert und durch Konkretisierung in Produktprogrammmerkmale und zugehörige Ausprägungen durch das TCW in ein Online-Befragungsdesign überführt. Um die Verständlichkeit sowie die Funktionalität der Befragung vor dem eigentlich Start der Umfrage sicherstellen zu können, wurde ein interner Pretest durchgeführt, an dem sämtliche relevante Experten des Unternehmens teilnahmen und um Feedback gebeten wurden. Zum einen wurde auf Basis der Rückmeldungen das Befragungsdesign angepasst, zum anderen die Ergebnisse dazu verwendet die interne Perspektive der Mitarbeiter in der Analysephase mit der Kundenperspektive zu spiegeln und Wahrnehmungsdifferenzen zu identifizieren. Besonders die klassischen differierenden Wahrnehmungen des Vertriebs und der Technik wurden dadurch transparent gemacht und sind durch die externe Befragung zu objektivieren. Bei der Auswahl der potentiellen Probanden für die Umfrage lag der Fokus sowohl auf bestehenden Kunden des Unternehmens als auch insbesondere auf ehemaligen Kunden oder Nicht-Kunden. Ingesamt wurden 1500 Unternehmensentscheider aus 62 Ländern via E-Mail angeschrieben und um ihre Mitwirkung bei der Befragung gebeten. Mit über 250 auswertbaren Rückläufern war eine statistisch signifikante Präferenzanalyse der Kunden möglich. Aufgrund der online basierten Vorgehensweise ließen sich die Analysen variabel gestalten und neben den aggregierten Präferenzaussagen über alle Rückläufer, wurden differenzierte Auswertungen über verschiedene Regionen und Branchen erstellt, die hilfreiche Informationen für eine kunden- oder regionsspezifische Segmentierung des Produktprogramms enthielten.

Die Ergebnisse der Analysen wurde in interdisziplinären Workshops gemeinsam interpretiert und Handlungsempfehlungen für eine Umgestaltung des Produktprogramms abgeleitet. Durch den Einsatz der Conjoint-Analyse konnte beispielsweise aufgezeigt werden, dass die Kunden durchaus bereit sind auf den bisher hohen Anteil an kundenindividueller Engineering-Leistung zu verzichten und vorkonfektionierte Optionspakete zu präferieren, wenn sich dadurch der Preis einer Verpackungsmaschine einer marktüblichen Höhe angleicht und die Lieferzeit reduziert wird. Des Weiteren konnte den Analysen entnommen werden, dass die Kunden keinen Mehrwert darin sehen, wenn das Unternehmen über seine Kernkompetenz, der Verpackungsmaschinenherstellung, hinaus vor- und nachgelagerte Prozesstechnologie in sein Produktprogramm integriert. Es zeigte sich auch, dass die Kunden nicht bereit sind auf die Möglichkeit der Auftragsänderung nach Auftragsklärung zu verzichten, entschädigend jedoch akzeptieren diese späte Änderungsoption durch einen ausgleichenden Mehrpreis zu bezahlen.

Die auf Basis der Ergebnisse der Conjoint-Analyse abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden mit den Maßnahmen der parallel zur Umfrage durchgeführten betriebswirtschaftlichen und technischen Portfolioanalyse auf Verträglichkeit geprüft und in den Maßnahmenkatalog integriert. Für die geplante Produktprogrammbereinigung des Verpackungsmaschinenherstellers sowie die gezielte Erweiterung mit einem stärkeren Standardisierungsfokus konnte die Variantenvielfalt bei höherer Abdeckung der Marktanforderungen um 25% gesenkt werden.

Weiterführende Literatur

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