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E-Procurement und Marktplätze

[31.05.2002]

Foto: sveta / fotolia.com

Die zunehmende Nutzung elektronischer Marktplätze als Vertriebs- und Beschaffungsweg, ist der Auslöser für eine neue Welle der Strukturveränderung bei Unternehmen. Die Gründung von Einkaufsplattformen wie Convisint der ‘Big Three‘ der Weltautomobilindustrie GM, Ford und DaimlerChrysler oder SupplyOn auf der Zulieferseite verdeutlichen die Bedeutung des Internets. Logistik Inside führte ein Interview mit Professor Dr. Horst Wildemann über seine Erfahrungen aus über 50 Beratungsprojekten im Bereich E-Procurement sowie aus den durchgeführten Online Auktionen mit eigener Software-Plattform.

Wie viele Marktplätze gibt es derzeit?

Nach unseren Studien gibt es derzeit weltweit ca. 2.000 Elektronische Marktplätze. 70 Prozent der Marktplätze befinden sich allein in den USA.

Welche Arten von Marktplätzen gibt es?

Grundsätzlich können zwei verschiedene Geschäftsmodelle von Elektronischen Marktplätzen unterschieden werden, nämlich horizontale und vertikale Marktplätze. Horizontale Marktplätze zeichnen sich durch ein industrie- und branchenübergreifendes Angebot von Produkten und Dienstleistungen aus. Vertikale Marktplätze fokussieren ein Angebot von Produkten und Dienstleistungen in spezifischen Branchensegmenten. Dabei kann es entlang der jeweiligen Wertschöpfungskette einer Branche mehrere Elektronische Marktplätze auf den einzelnen Stufen geben.

Was tun Marktplätze?

Zur Zeit sind die häufigsten Transaktionsarten die Elektronische Ausschreibung, die Online Auktion und die Börsenfunktion. Daneben existieren weitere Dienstleistungsangebote, wie:

  • Zahlungsabwicklung,
  • Contentmanagement,
  • Transaktionen über ERP-Systeme,
  • Finanzdienstleistungen oder
  • Transport und Versicherung.

Gibt es Branchenschwerpunkte?

Gerade für die Entstehung vertikaler Marktplätze eignen sich generell stark fragmentierte oder dualistisch geprägte Branchen. Daneben haben der Standardisierungsgrad der Bedarfe, die Homogenität der Produkte oder die Änderungshäufigkeit bzgl. Preis und Verfügbarkeit eine hohe Bedeutung. Aus diesem Grund liegen Branchenschwerpunkte vor allem bei Chemie, Elektro/Elektronik oder im Automotive-Bereich.

Wer nutzt derartige Marktplätze?

Die Hauptnutzer Elektronischer Marktplätze sind Einkauf und Verkauf. Durch die stärkere Ausrichtung auf die Abwicklung von Geschäftsprozessen wird zukünftig verstärkt die Logistik elektronische Marktplätze nutzen.

Was wird hauptsächlich über E-Markets eingekauft?

Zur Zeit wird das größte Volumen über MRO-Produkte und Investitionsgüter eingekauft. In Zukunft werden allerdings die Dienstleistungen stark an Bedeutung gewinnen. Direkte Güter haben zur Zeit noch eine geringe Bedeutung, wobei allerdings mehr Vorprodukte als Fertigprodukte über Elektronische Marktplätze bezogen werden.

Wo werden die Haupteinsparpotenziale gesehen?

Elektronische Marktplätze wirken sowohl auf die Materialeinstandskosten als auch auf die Beschaffungsprozesskosten. Vor dem Hintergrund, dass die Prozesskosten nur 2 bis 4 Prozent der Total-Cost-of-Ownership betragen, steht außer Frage, dass die Haupteinsparpotenziale aus den Materialkosten resultieren.

Wie hoch ist der Prozentsatz, der übers Internet beschafften Waren?

Unsere Studien belegen, dass in Abhängigkeit der verschiedenen Branchen durchschnittlich ca. 1/3 der Lieferanten bereits an einer Online Auktion teilgenommen haben. Bei der Anzahl an Bestellungen, spielt das Internet mit lediglich 1 Prozent an der Gesamtzahl Bestellungen noch eine sehr untergeordnete Rolle. Elektronische Marktplätze haben einen festen Stellenwert bei allen Befragten. Bis 2005 rechnet zwar nur ein Drittel der Befragten damit, Einkäufe internetbasiert abzuwickeln. Bis 2010 steigt dieser Anteil jedoch um mehr als das Doppelte. Das gilt sowohl für den Einkauf einfacher Teile und Systeme als auch für die Beschaffung von komplexen Modulen und Systemen.

Wieviel wird derzeit bereits eingespart?

Diese Frage kann nur sehr differenziert beantwortet werden. Die Höhe des Einsparpotenzials ist abhängig von der Eignung der Bedarfe für den Einkauf über Elektronische Marktplätze als auch über den möglichen Instrumentenmix. Dieser ist sowohl von der Branche als auch von der Bedarfsstruktur des betrachteten Unternehmens abhängig. Unsere Untersuchungen allerdings belegen, dass bei ausgewählten Unternehmen Einsparpotenziale um bis zu 15 Prozent der Total-Cost-of-Ownership realisiert werden konnten.

Welche Rolle spielen internetbasierte Auktionsverfahren?

Online Auktionen fokussiert die Reduzierung der Einstandskosten und damit den größten Hebel bei der Realisierung von Einsparpotenzialen. Aus diesem Grund besitzen Online Auktionen eine hohe Bedeutung bei Unternehmen aller Branchen. Zur erfolgreichen Durchführung von Online Auktionen stellt die Ausgestaltung der Auktionsparameter neben der Identifikation des geeigneten Bedarfs einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Mit zunehmenden Entwicklungsgrad der Auktionsmodelle und der Einflussnahme auf die Eignung der Güter für Auktionen wird auch die Bedeutung der Online Auktionen weiter zunehmen.

Wie wird sich das E-Procurement weiterentwickeln?

In der Zukunft wird eine Konsolidierung unter den öffentlichen Marktplätzen erwartet. Es gilt in Fachkreisen als sicher, dass die meisten unabhängigen öffentlichen Marktplätze scheitern werden. Ein ähnliche Entwicklung wird auch in den großen Branchen stattfinden. In jeder Branche werden nur wenige leistungsfähige öffentliche Marktplätze überleben. Bessere Chancen als die unabhängigen horizontalen Marktplätze haben dabei Branchenplattformen, die von mehreren Großunternehmen getragen werden. Immer stärker in den Vordergrund treten private Marktplätze.

Die bevorstehenden Herausforderungen werden sich zunehmend auf die direkten Materialien und damit auf den größten Materialkostenblock konzentrieren. Der damit verbundene Beschaffungs­prozess ist wesentlich komplexer als die bisher fokussierten Prozesse durch das E-Procurement. Die Supply Chain von der Lieferanten- bis zur Abnehmerseite umfaßt die Erhebung und Visualisierung von Nachfragetrends, neue Produkt-Design-Inhalte sowie die effiziente Erschließung von Zulieferquellen und Innovationspotenzialen, verbunden mit unterschiedlichen Marktrisiken und Hindernissen. Die Strategie der nächsten Generation des E-Business wird die erfolgreiche Koordination aller Teilprozesse der Produktentstehung und die Optimierung der strategischen Lieferantenbeziehungen zum Inhalt haben. Die daraus resultierenden Kosten- und Wettbewerbsvorteile werden über den bisher möglichen Nutzen der Beschaffungsautomation weit hinausgehen und reichen bis hin zum beschleunigten Serienanlauf, der Innovationsförderung und dem Risikomanagement.

Zum Thema "Einkauf von Engineering- und Dienstleistungen sowie Software und indirekten Gütern" startet am 23. September 2002 ein Arbeitskreis mit mehreren Industrie- und Dienst­leistungs­unternehmen.

Literatur :

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