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Ermittlung von Kundenanforderungen mittels Kano-Analyse am Beispiel eines mittelständischen ERP-Herstellers

[03.06.2008]

Foto: alphaspirit / fotolia.com

Softwareunternehmen sind zunehmend gezwungen, ihre komplexen Systeme an zyklische Marktanforderungen anpassen zu können. Um die Softwareentwicklung marktorientiert ausrichten zu können, bietet die Kano-Analyse eine Methode zur systematischen Ermittlung von Kundenanforderungen und zur Klassifizierung von Produkteigenschaften. Mit Hilfe einer speziellen Befragungstechnik und statistischer Auswertungen kann der Einfluss bestimmter Produkteigenschaften auf die Kundenzufriedenheit identifiziert werden. Die Kano-Analyse eignet sich insbesondere bei komplexen Produkten und hat sich inzwischen auch bei Software-Systemen bewährt. Am Praxisbeispiel eines Herstellers von ERP-Systemen werden Methode und Vorgehensweise der Kano-Analyse erläutert.

Softwareunternehmen sind aufgrund hoher Komplexität sowie der Vielfalt von Kundenanforderungen zunehmend in dem Zielkonflikt, gleichzeitig Entwicklungskosten und Time-to-Market zu reduzieren. Eine entscheidende Basis dafür stellt eine systematische Analyse von Kundenanforderungen dar, die beispielsweise mittels einer Kano-Analyse erfolgen kann. Das Kano-Modell geht davon aus, dass die Erfüllung von Kundenanforderungen nicht bei allen Produkteigenschaften die Kundenzufriedenheit im selben Maß erhöht. Vielmehr können folgende drei Klassen von Produkteigenschaften unterschieden werden (vgl. Abb. 1):

  • Basismerkmale:
    Die Erfüllung von Basisanforderungen setzt der Kunde als selbstverständlich voraus. Bei Nichterfüllung führen diese zu Unzufriedenheit, während eine Erfüllung der Anforderungen nicht zu erhöhter Kundenzufriedenheit beiträgt.
  • Leistungsmerkmale:
    Grundlegende Leistungsanforderungen nimmt der Kunde bewusst wahr und benennt diese in der Regel auch als wünschenswert. Bei diesen Anforderungen steigt die Kundenzufriedenheit und -unzufriedenheit im selben Maß wie die Erfüllung der Leistungsanforderungen ausgeprägt ist. Eine besonders gute Erfüllung kann also zu einer erhöhten Kundenbindung führen.
  • Begeisterungsmerkmale:
    Es handelt sich um latent vorhandene Anforderungen, die der Kunde nicht unbedingt erwartet. Begeisterungsmerkmale können daher bei Vorhandensein zu hoher Kundenzufriedenheit führen und Wettbewerbsvorteile generieren.

Bei dem vorgestellten Unternehmen handelt es sich um einen mittelständischen Hersteller von ERP-Systemen, der zur Erweiterung und Weiterentwicklung der angebotenen Produkte die Aktivitäten in der Softwareentwicklung priorisieren wollte. Der Einsatz der Kano-Analyse eignet sich insbesondere bei komplexen Produkten, bedarf jedoch einer intensiven Vorbereitung der Kundenbefragung. Die Vorgehensweise gliederte sich in 4 Phasen:

  1. Identifikation der kundenrelevanten Produkteigenschaften
  2. Erstellung des Fragebogens
  3. Durchführung der Befragung
  4. Auswertung und Interpretation

Die Ableitung der kundenrelevanten Merkmale erfolgte auf Basis einer Clusterung von Systemeigenschaften (Funktionalität, Flexibilität etc.). Insgesamt wurden etwa 40 Produkteigenschaften in die Befragung integriert. Kern der Kano-Befragung stellt die Gegenüberstellung eines Merkmals in jeweils einer funktionalen und einer dysfunktionalen Fragenformulierung dar. So wird beispielsweise für das Merkmal "Integrierte Dokumentation über Online-Hilfe" zunächst gefragt, wie der Kunde es einschätzt, wenn das System eine integrierte Dokumentation über eine erweiterte Online-Hilfe besitzt. Im zweiten Schritt erfolgt dann die entgegengesetzte Frage, wie die Einschätzung bei nicht Vorhandensein dieser Funktion ausfällt (vgl. Abb. 2)


Durch die besondere Art der Befragungstechnik wird dem Kunden ermöglicht, unterschiedliche Präferenzen für die Erfüllung einer bestimmten Produkteigenschaft zum einen und die NICHT-Erfüllung dieser Eigenschaft zum anderen abgeben zu können. Die Durchführung der Befragung erfolgte auf Messen und Kundentagen. Aufgrund der Komplexität der Produkteigenschaften von ERP-Systemen erwies es sich als hilfreich, dass den Befragten vor Ort durch die Mitarbeiter des Softwareunternehmens Erläuterungen zu den Fragestellungen gegeben werden konnten. Die Auswertung der Befragung erfolgte schließlich mit Hilfe eines statistischen Algorithmus, durch den für jede abgefragte Produkteigenschaft eine Klassifizierung in Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsmerkmal vorgenommen wurde. Das oben genannte Beispiel wurde durch die Befragung als Leistungsmerkmal eingestuft. Eine optimierte Ausgestaltung einer erweiterten Online-Hilfe in dem betrachteten System kann dementsprechend zur Kundenzufriedenheit beitragen.

Durch den Einsatz der Kano-Analyse konnten in dem Softwareunternehmen zum einen wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung der Marktorientierung der angebotenen ERP-Systeme abgeleitet werden. Zum anderen konnte eine Klassifizierung der Produkteigenschaften hinsichtlich ihres Beitrags zur Kundenzufriedenheit vorgenommen werden. Auf diese Weise wurden sowohl Verkaufsargumente für Marketing/Vertrieb als auch eine Priorisierung von Aktivitäten bei der Softwareentwicklung geschaffen. Begeisterungsmerkmale können sich im Laufe der Zeit zu Leistungs- und schließlich sogar zu Basisanforderungen wandeln. Daher sollte eine Kano-Analyse in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Weiterführende Literatur:

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