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Kundenorientierte Prozessoptimierung bei Volks- und Raiffeisenbanken anhand des Projekts VR-Process

[05.06.2008]

Foto: coramax / fotolia.com

Im Genossenschaftlichen Finanzverbund wurden bei 18 Primärbanken die 10 ertragsstärksten Kerngeschäftsprozesse durch einen Best-Practice-Vergleich untersucht. Es wurden nachhaltige Kostensenkungspotenziale und Effizienzsteigerungen zwischen 35% und 60% identifiziert. Zur Übertragung auf andere VR-Banken und zur nachhaltigen Realisierung der Potenziale wurden bundesweit einheitliche Referenzprozesse entwickelt, die mit den Prüfungen der Verbände und den beiden beteiligten Rechenzentralen abgestimmt wurden. Die Optimierung und Prozessgestaltung richtete sich konsequent an den Anforderungen des Marktes und der Kunden aus. Die vorliegenden Referenzprozesse basieren auf dem umfassenden Erfahrungswissen der einzelnen Primärbanken, den durchgeführten Best-Practice-Vergleichen sowie der Optimierung der Geschäftsprozesse unter Einbezug aller Projektbeteiligter.

Im folgenden Interview werden das Projekt, die erzielten Ergebnisse sowie einzelne Schlüsselaspekte erläutert.

Sie haben anhand von VR-Process die Kerngeschäftsprozesse von 18 VR-Banken untersucht, um Kosteneinsparpotenziale zu ermitteln. Was war der Anlass für diese Analyse?

Prof. Wildemann:
Das Projekt zur Optimierung der Bankprozesse wurde vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, den Regionalverbänden sowie den genossenschaftlichen Rechenzentralen initiiert. Der Anstoß zum Projekt war die zunehmende Verschärfung des Wettbewerbs, dem sich die VR-Banken in den vergangenen Jahren ausgesetzt sahen; diesem Wettbewerbsdruck wollte man durch die Optimierung der Geschäftsprozesse Rechnung tragen.

Wettbewerbsdruck im Bankensektor gibt es schon seit längerem. Spielt es auch eine Rolle, dass VR-Process Anfang 2007 derart ausgereift war, dass eine frühere Untersuchung zeitlich aufwändiger gewesen wäre?

Prof. Wildemann:
Einige Banken haben in den vergangenen Jahren unabhängig vom Projekt VR-Process bereits Anstrengungen zur Optimierung der Geschäftsprozesse unternommen; bei diesen Banken waren die Vorarbeiten sicherlich schon weiter vorangeschritten als bei anderen Banken. Der Unterschied hinsichtlich des Untersuchungsaufwands hielt sich aber in Grenzen, da bei allen Banken alle Prozesse ganzheitlich untersucht wurden, um dem Charakter eines Best-Practice-Transfers Rechnung zu tragen.

Welche Kriterien waren entscheidend für die Auswahl der untersuchten Banken? Wurde dabei auch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Banken berücksichtigt, etwa hinsichtlich Größe und Lage, etwa in ländlicher Region in Ostdeutschland oder in einer Großstadt in Westdeutschland?

Prof. Wildemann:
Die Auswahl der Banken erfolgte durch den BVR in Abstimmung mit den Regionalverbänden. Die Auswahl zielte darauf ab, unterschiedliche Typen an VR-Banken in der Untersuchung zu haben (Groß/Klein, Stadt/Land, Organisationstyp, Erfolg durch Prozessoptimierung etc.).

Wie sind Sie bei Ihrer Analyse vorgegangen?

Prof. Wildemann:
Bei jeder Bank und bei jedem Geschäftsprozess wurde die Analyse auf Basis einer einheitlichen Vorgehensweise durchgeführt.

  1. Ist-Analyse bei der Auditbank
    • Sichtung und Auswertung von Vorarbeiten
    • Aufnahme des Ist-Prozesses mit MA aus Markt/Marktfolge
    • Diskussion von Ansatzpunkten zur Verbesserung der Ist-Prozesse
    • Dokumentation und Auswertung der identifizierten Prozesse sowie der Ansatzpunkte
  2. Erarbeitung Soll-Prozesse
    • Vorbereitung eines Best-Practice-Prozesses auf Basis der 18 auditierten Banken
    • Erarbeitung eines optimierten Best-Practice-Prozesses unter Beteiligung von Auditbanken, Rechenzentralen und Verbandsprüfern
  3. Transfer der optimierten Ergebnisse auf die Auditbanken
    • Transfer der Referenzprozesse auf die Auditbanken in enger Zusammenarbeit mit den Rechenzentralen

Wäre diese auch ohne die Vergleichsdaten aus VR-Process möglich gewesen?

Prof. Wildemann:
Durch die Auditierung von 18 Auditbanken konnten für jeden Geschäftsprozess Best-Practice-Lösungen identifiziert werden, die bereits in der Praxis erprobt sind. Dadurch konnte die Akzeptanz für die erarbeiteten Referenzprozesse gesteigert werden. Durch die Co-Präsentation der Referenzprozesse durch "Praktiker" aus den Auditbanken wurde dies noch weiter unterstrichen.

An dem Projekt sind die Banken, die Verbände, das TCW sowie FIDUCIA beteiligt. Wie ist die Rollenverteilung zwischen den Projektpartnern?

Prof. Wildemann:
Der BVR, die Regionalverbände sowie die Rechenzentralen haben die Projektleitung für das Projekt gebildet. Das TCW war mit der Durchführung der Projektarbeit sowie der Dokumentation und Präsentation der Ergebnisse betraut. Die Auditbanken wurden im Rahmen der Auditierung jeweils 2 Wochen auditiert; im Rahmen der Optimierungsphase wurden jeweils Vertreter der verschiedenen Auditbanken zur Erarbeitung der Referenzprozesse eingeladen. Im Steuerungskreis waren sowohl Vertreter des BVR, der Regionalverbände, der Rechenzentralen, der Auditbanken sowie Prof. Wildemann vertreten.

Können Sie die zentralen Ergebnisse der Analyse kurz für uns zusammenfassen?

Prof. Wildemann:
Durch die Auditierung von 18 Banken und einen darauf aufbauenden Best-Practice-Vergleich konnten teilweise deutliche Verbesserungspotenziale identifiziert werden. Im Bereich der Aktivprozesse wurden maximale Verbesserungspotenziale von durchschnittlich 62%, bei den Passivprozessen von 34% identifiziert. Grundlegend wurde festgestellt, dass die Fokussierung auf die Vermeidung von Verschwendung & Blindleistung, die Klassifizierung der Prozesse nach Komplexitäts- und Risikoklassen, die verbesserte Nutzung von IT-Systemen, die Anpassung von Kompetenzregelungen sowie eine Differenzierung der Prüf- und Kontrolltätigkeiten die entscheidenden Ansatzpunkte zur Prozessverbesserung darstellen. Ebenso wurden alle Referenzprozesse von den Prüfverbänden der Regionalverbände prüferisch begleitet und aus prüferischer Sicht freigegeben.

Welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?

Prof. Wildemann:
Besonders auffällig waren die teilweise deutlichen Unterschiede im Vergleich der 18 Auditbanken bzgl. der Bearbeitungsweisen im Rahmen der Geschäftsprozesse (z.B. betriebener Prüfaufwand bei der Vergabe von Krediten).

Was folgt daraus nun für die einzelnen Banken, die Verbände und den BVR?

Prof. Wildemann:
Nach der Erarbeitung der Referenzprozesse gilt es nun, die Implementierung der Prozesse bei den VR-Banken zu unterstützen. Hier können insbesondere die Auditbanken eine "Leuchtturm-Rolle" spielen, wenn erste Erfolgsgeschichten von den Auditbanken an die restlichen VR-Banken kommuniziert werden.

Sicherlich muss nicht jede Bank alle Prozesse gleich stark durchleuchten und optimieren. Wie finden die Umsetzungsverantwortlichen in den - nicht untersuchten - Einzelbanken heraus, welche Schwerpunkte zu setzen sind?

Prof. Wildemann:
Zur Einschätzung der individuellen Analyse- und Optimierungsschwerpunkte wurde der "VR-Process-Check" entwickelt, der den jeweiligen Banken auf Basis eines standardisierten Bewertungsschemas die Möglichkeit bietet, ihre individuellen Prozesse im Vergleich zum Best-Practice-Prozess zu bewerten und daraus individuelle Optimierungsansätze abzuleiten. Ebenso wurde im Rahmen des Projekts ein Schulungskonzept entwickelt, das durch die beteiligten Projektträger in die Breite getragen wird, in dem der Aspekt der Auswahl und Priorisierung von Geschäftsprozessen ebenfalls verankert ist.

Nach Abschluss des Projekts läuft derzeit die Umsetzung der Ergebnisse. Wie wird hierbei vorgegangen? Was gilt es zu beachten?

Prof. Wildemann:
In Zusammenarbeit mit einigen Pilotbanken wird derzeit an der Umsetzung der Ergebnisse gearbeitet. Hier werden zunächst die Referenz-Ansätze aus VR-Process mit der individuellen Ausgangssituation in Relation gesetzt (z.B. Abgrenzung von Prozessvarianten entsprechend der individuellen Risikorelevanz-Grenze der Banken). Abschließend werden die Referenzabläufe auf die spezifischen Anforderungen der einzelnen Banken hin übertragen, da es an einigen Stellen aufgrund externer Restriktionen und Rahmenbedingungen zu "kleineren" Abweichungen vom Referenzablauf kommt.

Vor allem für kleinere Banken wird es hinsichtlich der Manpower nicht ganz so einfach sein, die Umsetzung zeitnah, das heißt im Laufe von 2008 zu schaffen. Welche Hilfen gibt es hier?

Prof. Wildemann:
Zur Umsetzung der Ergebnisse von VR-Process auf alle Banken wurde von den Regionalverbänden in Abstimmung ein übergreifendes Schulungsergebnis erarbeitet. Ebenso bieten die Rechenzentralen IT-orientierte Trainingsleistungen an, um die Umsetzung der Referenzabläufe auf Basis der bestehenden IT zu verdeutlichen.

Weiterführende Literatur

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