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Lieferanten-KANBAN senkt Bestände und Flächen um mehr als 50%

[15.03.2004]

Foto: sveta / fotolia.com
In Zusammenarbeit mit einem führenden Automobilhersteller wurde vom TCW ein externes KANBAN zu Lieferanten eingeführt. Der verstärkte Trend zu System- und Modullieferanten gab der Just-In-Time- und Just-In-Sequence-Belieferung in den letzten Jahren weiteren Aufschub. Die hierfür erforderlichen, auf Bedarfserrechnungen aufbauenden komplexen Lieferabrufsysteme werden von den Automobilherstellern nicht nur für JIT und JIS sondern durchgängig für alle Bauteile verwendet. Der dadurch betriebene Aufwand in den Dispositionsabteilungen der Hersteller ist, das zeigen empirische Untersuchungen sehr eindeutig, bei Umfängen mit gering schwankenden Bedarfen nicht erforderlich. Hier greift das Hol-Prinzip wesentlich effizienter. Es erlaubt im Einsatz als Lieferanten-KANBAN verbrauchsgesteuerte und damit selbststeuernde Regelkreise, verkürzt Wiederbeschaffungszeiten und generiert niedrigere Bestände im Lager des Abnehmers.

Ausgangssituation

Trotz des Einsatzes modernster EDV-basierter Bedarfsprognose- und Dispositionsmethoden konnten die Lagerreichweiten für zahlreiche Bauteile eines Automobilherstellers bislang nicht signifikant reduziert werden. Neben den durch hohe Bestände induzierten hohen Kapitalbindungskosten war es vor allem die Flächensituation im Werk, weshalb ein Bestandsabbau dringend erforderlich wurde. Um dies zu erreichen, galt es, im Untersuchungsbereich Disposition neue Methoden einzusetzen.

Vorgehensweise

Durch den Untersuchungsbereich Disposition war die Vorgabe ausgesprochen, dass eine Dispositionsmethode einzusetzen sei, um die gesteckten Ziele schnell und wirksam zu erreichen. Das Lieferanten-KANBAN bot sich idealerweise an.

Mittels einer ABC-Analyse der Teile-Wertigkeit und einer XYZ-Analyse der Verbrauchsstetigkeit ergab sich die Vorauswahl von Baugruppen, die für KANBAN geeignet waren. KANBAN-Eignung ist vor allem dann gegeben, wenn keine starken Bedarfsschwankungen in der Serie bzw. durch Sonderaufträge entstehen. Weiterhin ist eine begrenzte Variantenanzahl erforderlich. Außerdem stabilisiert eine geringe Distanz zwischen Lieferant und Abnehmer den KANBAN-Regelkreis durch kurze Wege ohne streckenimmanente Störgrößen wie z.B. Landesgrenzen oder Transportmittelwechsel. Die KANBAN-Fähigkeit der Lieferanten, zumindest das Potenzial dafür, war eine weitere Voraussetzung, um eine Baugruppe für KANBAN festzulegen. Nach der Abgrenzung des Untersuchungsbereiches auf drei Baugruppen entstand in Zusammenarbeit mit den tangierten Bereichen eine Detailanalyse der Grunddaten, der Dispositions-, Lieferanten-, Transport- und Einlagerungsprozesse und der IT-Abläufe mit dem Ziel, die Basis zur Ausgestaltung des Sollkonzepts zu schaffen. Durch die Vorgabe einer raschen Implementierung im Rahmen eines Pilotprojekts wurde beschlossen, dass für die drei Baugruppen ein Karten-KANBAN eingeführt wird, wobei die Verbindung zwischen Hersteller und Lieferant über Fax erfolgt. Anschließend konnte die Dimensionierung des KANBAN-Systems stattfinden. Darunter ist die Berechnung der Behälteranzahl zu verstehen, die sich im Regelkreis befinden: Im Lager des Herstellers (KANBAN-Puffer), auf den Transportwegen von Voll- und Leergut sowie die für den nächsten Transport vorbereiteten und gekennzeichneten Behälter in einem Puffer des Lieferanten. Neben dem Tagesverbrauch sind ein Sicherheitszuschlag zur Abdeckung von Bedarfsschwankungen und die Wiederbeschaffungszeit die wesentlichen Eingangsgrößen zur Dimensionierung.

Die nächste Projektphase konzentrierte sich auf die Konzipierung der Material- und Informationsflüsse. Hierzu zählte die Festlegung der Transportmittel und -wege, der Lagerflächen und z.T. der Behälterarten sowie der zu verwendenden Faxverbindungen und weiterer Informationswege bzw. -systeme. Gleichzeitig wurden die KANBAN-Regeln formuliert, nach denen die Beteiligten in der Disposition, im KANBAN-Lagerbereich und der jeweilige Lieferant vorzugehen haben. Als wichtigste Regel gilt die Bestimmung, dass nur die KANBAN-Karte bzw. das entsprechende Fax einen Bestellauftrag darstellt. Daneben sind es u.a. Vereinbarungen zur Wiederbeschaffungszeit und die Zuordnung der Verantwortlichkeiten. In diese Phase fiel auch die Durchführung der ersten Lieferanten-Workshops. Sie hatten als erste Informationsgespräche das Ziel, die KANBAN-Fähigkeit zu überprüfen und ggf. durch Festlegung von Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, damit die KANBAN-Fähigkeit zum Starttermin vorliegen wird. So wurden logistische Belange vereinbart, wie z.B. die Zeitfenster für Vollgutverladung und -versand oder auch Sonderprozesse im Falle von punktuell möglichen Extrembedarfen des Abnehmers bei Sonderaufträgen.

In der letzten Phase vor KANBAN-Start wurden die benötigten Sachmittel beschafft: Magnetische Karten, die entweder an den eingelagerten Behältern oder nach deren Auslagerung an einer KANBAN-Tafel angebracht sind und die Tafeln selbst. Außerdem Faxgeräte und Faxvorlagen je Teileumfang. Darüber hinaus wurden Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der Abnehmer- und der Lieferantenseite sowie für Logistik-Dienstleister angeboten und durchgeführt. Ein zweiter Workshop je Lieferant gewährleistete zudem die KANBAN-Fähigkeit zum Starttermin.

Ergebnisse

Nach einer dreimonatigen Vorbereitungszeit wurde KANBAN erfolgreich für drei Baugruppen eingeführt. Bereits nach kurzer Zeit stellte sich die prognostizierte Reduzierung der Bestände von bis zu 80% im Lager des Abnehmers ein. Die Flächenreduzierung liegt insgesamt bei deutlich über 50%.

Weiterführende Literatur

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