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Produktpiraterie & Nachahmungen - betriebswirtschaftliche Elemente eines integrativen Schutzsystems

[30.11.2010]

Foto: alphaspirit / fotolia.com

Die Gefahr von Nachahmungen und Know-how-Abfluss wird aufgrund der zunehmenden Globalisierung und des steigenden Wettbewerbs weiter zunehmen. Selbst die für viele Experten als äußerst schwierig empfundene Nachahmung von hoch komplexen Maschinen und Anlagen wurde bereits erfolgreich vollzogen. Dies bedeutet, dass sich die Investitionsgüterhersteller zukünftig dieser Herausforderung stellen müssen, um langfristig am Markt bestehen zu können. Zu diesem Zweck wurden von Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann betriebswirtschaftliche Elemente eines integrativen Nachahmungsschutzsystems entwickelt. Dieses Schutzsystem setzt sich aus den Elementen Know-how Schutz in der Beschaffung, organisatorischer Know-how-Schutz, technischer Produktschutz, Schutz durch Kennzeichnungs- und Authentifizierungstechnologien, Schutz durch produktbegleitende Dienstleistungen sowie Schutz durch juristische Ansätze zusammen. Die konsequente Umsetzung dieses ganzheitlichen integrativen Ansatzes erlaubt einen effektiven Schutz vor Nachahmungen und Know-how-Verlust.

Infolge einer zunehmenden Verflechtung der Märkte hat in den vergangenen Jahren die Nachahmungsgefahr und der Know-how-Abfluss stetig zugenommen. Um den Wissensrückstand zu den Industrienationen aufzuholen, greifen vor allem viele Schwellenländer unrechtmäßig auf fremdes Know-how zurück. War es für die Unternehmen in den vergangenen Jahren noch möglich, aufgrund einer ausgezeichneten Qualität der Produkte einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, so sind heute in vielen Fällen keine Unterschiede mehr zwischen Originalprodukt und Nachahmung festzustellen. Dies beschränkt sich nicht mehr nur ausschließlich auf Ersatzteile oder Komponenten, sondern umfasst auch hoch komplexe Maschinen und Anlagen. Dazu kommt, dass viele Kunden aufgrund des Kostenvorteils bewusst Nachahmungen erwerben.

Vielen Unternehmen fehlt eine ganzheitliche Vorgehensweise zur Bekämpfung von Nachahmungen und Know-how-Verlust. So werden die Bauteile oder Produkte entweder überhaupt nicht geschützt oder lediglich durch juristische Maßnahmen. Dabei hat die Praxis gezeigt, dass juristische Maßnahmen oftmals nicht greifen und darüber hinaus auch nur einen reaktiven Schutz darstellen, der erst greift, sobald eine Nachahmung entdeckt wurde. Weiterhin ist die Rechtsdurchsetzung in vielen ausländischen Märkten oftmals sehr problematisch, selbst dann, wenn die Rechtslage als ausreichend erscheint. Deshalb stellen rechtliche Maßnahmen alleine keinen umfassenden Schutz vor Nachahmungen dar. Des weiteren setzen viele Unternehmen ausschließlich auf einzelne Maßnahmen ohne den ganzheitlichen Schutzgedanken zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wird hier ein Schutzkonzept vorgestellt, das sich aus den Elementen

  • Know-how-Schutz in der Beschaffung,
  • organisatorischer Know-how-Schutz,
  • technischer Produktschutz,
  • Schutz durch Kennzeichnungs- und Authentifizierungstechnologien,
  • Schutz durch produktbegleitende Dienstleistungen sowie
  • Schutz durch juristische Ansätze

zusammensetzt.

Der Know-how-Schutz in der Beschaffung befasst sich mit der Sicherstellung des Know-how-Erhalts während des Beschaffungsprozesses. Denn jede Zusammenarbeit mit Dritten stellt eine zusätzliche Schnittstelle dar und erhöht damit die Gefahr des ungewollten Know-how-Abflusses. Als mögliche Ansätze des Know-how-Schutzes in der Beschaffung lassen sich die risikobewusste Festlegung der Wertschöpfungstiefe, risikobewusste Standortwahl sowie Schutzmaßnahmen gegenüber anderen Unternehmen anführen.

Der organisatorische Know-how-Schutz wird in den Unternehmen nicht ausreichend und durchgängig berücksichtigt. Auf diese Weise werden aus Leichtfertigkeit und Unwissenheit unter Umständen kritische Unterlagen an Dritte weitergegeben. Zudem machen es unzureichend geschützte IT-Systeme den potenziellen Nachahmern häufig sehr einfach, benötigte Informationen zu beschaffen. Der Schutz des organisatorischen Know-hows kann über Einzelmaßnahmen gestaltet werden, wobei die individuellen Unternehmenssituationen dabei berücksichtigt werden müssen. Diese Einzelmaßnahmen lassen sich in die fünf Maßnahmenbündel personelle, organisatorische, infrastrukturelle Maßnahmen, Maßnahmen zur IT-Sicherheit und Handlungsanweisungen zum Know-how-Schutz einteilen.

Durch den Aufbau technischer Nachahmungshürden mit Hilfe von Methoden des technischen Produktschutzes lässt sich ein unmittelbarer Nachahmungsschutz erreichen. Das Ziel ist es, den Aufwand für das Reverse Engineering und die Herstellung von Nachahmungen durch eine gezielte Produktgestaltung so weit wie möglich zu erschweren. Dadurch soll erreicht werden, dass die Herstellung von Nachahmungen für den Plagiator nicht mehr attraktiv ist. Als mögliche Methoden zur Gestaltung der technischen Nachahmungshürden können beispielsweise die Black-Box-Bauweise, De-Standardisierung oder die Produktindividualisierung eingesetzt werden.

Die technologischen Weiterentwicklungen der letzten Jahre auf dem Gebiet der Kennzeichnungs- und Authentifizierungstechnologien bieten umfangreiche Möglichkeiten zum effektiven Nachahmungsschutz. Durch die Kennzeichnung von Bauteilen kann entweder die Originalität oder die Einzigartigkeit (Unikat) von Bauteilen determiniert werden. Somit führt ein gekennzeichnetes Bauteil zu einer Erhöhung der Nachahmungshürden und damit zu einer Reduzierung der Häufigkeit von Nachahmungen.

Im Rahmen des Nachahmungsschutzes haben produktbegleitende Dienstleistungen sowohl im Bereich Pre-Sales-, Sales- und After-Sales eine herausragende Bedeutung. Der Grund liegt darin, dass produktbegleitende Dienstleistungen oder hybride Produkte grundsätzlich schwerer nachzuahmen sind als materielle Produkte. Auf diese Weise kann durch eine gezielte Kombination von Sachleistung und Dienstleistung ein kundenindividuelles Leistungsbündel geschaffen werden, welches den größtmöglichen Nutzen für den Abnehmer generiert und von einem potenziellen Nachahmer nicht angeboten werden kann.

In der Praxis gibt es eine Vielzahl an juristischen Möglichkeiten zum Schutz des geistigen Eigentums. Diese juristischen Schutzmöglichkeiten bilden im Allgemeinen die Basis des ganzheitlichen Nachahmungsschutzes. Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten sind die gewerblichen Schutzrechte (Patentrecht, Markenrecht, Gebrauchsmusterrecht, Geschmacksmusterrecht) als auch die sonstigen Rechte (Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Konzeptschutz) relevant.

Durch eine konsequente und durchgängige Anwendung der Elemente des ganzheitlichen, integrativen Schutzsystems kann ein größtmöglicher Schutz vor Nachahmungen und Know-how-Verlust erreicht werden.

Weiterführende Literatur

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