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Qualitätsaspekte disruptiver Technologien in der Elektromobilität

[15.01.2015]

Foto: Petair - fotolia.com
Das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie ist auf die evolutionäre Technologieentwicklung von Verbrennungsmotoren ausgelegt. Handlungsempfehlung für die Gegebenheiten disruptiver Technologien fehlen. Die Elektromobilität und deren neue Technologien gelten als disruptive Technologie und bringen große Veränderungen mit sich, wodurch qualitätsrelevante Themen beeinflusst werden. Entsprechend gilt es das Qualitätsmanagement neu auszurichten.

Disruptive Technologien in der Elektromobilität

Immer kürzer werdende Innovationszyklen, komplexere, kurzlebigere Produkte und zunehmender Wettbewerbsdruck zwingen Unternehmen bisher erfolgreich angewandte Managementkonzepte zu überdenken. Dabei benötigen die besonderen Gegebenheiten disruptiver Technologien neue Bewertungsansätze für die Technologie- bzw. Produktentwicklung. Somit erfordern die auf evolutionäre Technologien ausgelegten Produktentwicklungspfade in der Automobilindustrie eine Anpassung. Die Elektromobilität verfügt über mehrere junge Technologien, die sich noch am Anfang ihres Entwicklungsstadiums befinden. Die Batterie-, Antriebs- und Leichtbautechnologie. Alle zeigen im Rahmen der Elektromobilität einen disruptiven Charakter. Verglichen mit konventionellen Fahrzeugen sind Elektrofahrzeuge bei den Herstellkosten noch erheblich teurer.

Herausforderungen im automobilen Umfeld

Für die Automobilindustrie gilt es den Spagat zwischen der Optimierung der konventionellen Antriebe und der Investition in die Entwicklung elektrischer Antriebe zu meistern. Die Antriebstechnologie für Elektrofahrzeuge hat ihren Ursprung in der Elektroindustrie während die Batterietechnologie viel Wissen aus der Chemie verlangt. Dies erfordert den Aufbau neuer Kompetenzen oder eine Kooperation mit branchenfremden Unternehmen. Hier ergeben sich einmalige Chancen für Neueinsteiger. Somit ist die Elektromobilität vor allem disruptiv für aktuelle Zulieferer, da diese oftmals das erwartete Leistungsspektrum der Elektromobilität nicht abdecken. In der Fertigung der Systemkomponenten von Elektrofahrzeugen ergeben sich ebenfalls zahlreiche Herausforderungen. Eine Vielzahl der Komponenten wird bisher nur in einer relativ geringen Stückzahl produziert. Die Produktion erfordert jedoch mit einer zunehmenden Marktdurchdringung der Elektromobilität eine rasche und hohe Skalierbarkeit, um die prognostizierten hohen Stückzahlen im Automobilbau abzudecken. Einige Komponenten stehen erst am Beginn ihrer Entwicklung im Automobilbau und weisen ein hohes Verbesserungspotenzial auf. Die relativ kurzen Innovationszyklen müssen bei Anlageninvestitionen berücksichtigt werden. Anlagen, Prozesse sowie Kompetenzen unterscheiden sich stark von den bisherigen Anforderungen in der Automobilindustrie und benötigen daher entsprechenden zeitlichen und finanziellen Vorlauf.

Technologien in der Elektromobilität

Innerhalb der Schlüsseltechnologien (Antriebs-, Batterie- und Leichtbautechnologie) ergeben sich technologiespezifische Herausforderungen, die dabei einen Einfluss auf qualitätsrelevante Themen ausüben. Die Herausforderungen der Antriebstechnologie von Elektrofahrzeugen liegen vor allem in den erhöhten Anforderungen an das Gewicht, einer geringen Verlustleistung, der Baugröße, den hohen Qualitätsforderungen der Automobilindustrie und der Großserientauglichkeit bei reduzierten Kosten. Der Batterietechnologie fehlt es noch an einer gewissen technologischen Reife und darüber hinaus liegt keine Langzeiterfahrung in diesem Anwendungsbereich vor. Die Lebensdauervorhersage und das Temperaturmanagement stellen ebenfalls Herausforderungen dar. Test- und Prüfverfahren sind noch nicht zuverlässig genug und die Weiterentwicklung entsprechender Verfahren ist notwendig, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Speziell in der Batterietechnologie sind überdies viele Standardisierungen noch nicht abgeschlossen. Die Karosseriebauweise von Elektrofahrzeugen wird maßgeblich von der Leichtbauanforderung, der Produktionslosgröße und der Leistungserwartung beeinflusst. Aufgrund der großen Unterschiede in den Investitions-, Rüst- und Prozesskosten hängt die Wahl des Herstellungsverfahrens von der geplanten Stückzahl sowie vom Fahrzeugkonzept ab. Die Qualitätssicherung stellt in der Multimaterialbauweise, aufgrund neuer Fügeverfahren, eine weitere Herausforderung dar. Die Schwerpunkte der Weiterentwicklung ruhen auf der Fertigung der Bauteile, der Simulation von Bauteil- und Werkstoffeigenschaften sowie der Messtechnik und Qualitätssicherung. Unter den genannten Schlüsseltechnologien benötigt vorwiegend die Batterietechnologie noch zusätzliche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, damit die Elektromobilität wettbewerbsfähiger wird und eine gleichmäßige Qualität sichergestellt werden kann.

Einfluss auf die Qualität

In frühen Phasen der Entwicklung ist die Möglichkeit, Qualität zu beeinflussen allgemein am größten. Die entstehenden Kosten sind dabei noch vergleichsweise gering. Daher kommt den der Produktion vorgelagerten Phasen in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklungsprozesse in der Automobilindustrie sind auf die Entwicklung evolutionärer Technologien ausgelegt und daher bei disruptiven und schnellen technologischen Entwicklungen zu unflexibel. Unter Umständen werden unausgereifte Technologien zu früh auf den Markt gebracht. Dabei können bspw. Qualitätsprobleme, die erst zu einem späteren Zeitpunkt sichtbar werden, erhebliche Kosten verursachen. Mit einem Wertschöpfungsanteil von rund 70% beeinflussen, neben den Automobilherstellern, vor allem Zulieferunternehmen qualitätsrelevante Themen. Branchenfremden Akteuren wie der Elektronikbranche, Kunststoffherstellern oder Chemieunternehmen kommt in Zukunft eine größere Bedeutung zu. Daraus können sich Abstimmungs- und Kommunikationsprobleme ergeben, die zusätzlichen organisatorischen Aufwand oder auch das Ändern von Organisationsstrukturen erfordern. Vor allem bei der Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmen ist die Sicherstellung der Qualität durch Normen und Standards von großer Bedeutung. Für die Elektromobilität sind viele Normen oder Standards aber derzeit nicht festgelegt. Eine Anpassung und Erweiterung bestehender Normen und Standards an die neu gegebenen Anforderungen ist dringend erforderlich. Das Managen von Netzwerken ist mit Hinblick auf neue Marktteilnehmer und zusätzlich benötigte Ressourcen in allen Technologiefeldern von zunehmender Bedeutung. Auch die Berücksichtigung von Kundenwünschen und die Integration von Kunden in Prozesse, spielen im Hinblick auf disruptive Technologien eine zunehmende Rolle. Neue Produktionsprozesse erfordern häufig noch weitere Optimierungen. Die Elektromobilität ist in vielerlei Hinsicht mit Risiken für die Marktteilnehmer verbunden. Diese Risiken müssen möglichst frühzeitig erkannt werden, um darauf effektiv reagieren zu können. Die Technologien sind zum Teil noch nicht ausgereift. Daher können sich ungewollte Auswirkungen auf die Qualität auch erst in späteren Phasen offenbaren. Das Technologiemanagement sollte es ermöglichen, die technologische Reife neuer Technologien zuverlässig zu bewerten, um einer verfrühten Produktion und damit einhergehenden Qualitätsproblemen vorzubeugen.

Die sechs Gestaltungsfelder bieten einen Ansatzpunkt, um den Einfluss der Elektromobilität auf die Qualität auch weiterhin im Unternehmen zu bewerten. Entlang der Wertschöpfungskette finden die Gestaltungsfelder in verschiedenen Phasen des Produktentstehungsprozesses Anwendung. Dasiesrozesses. Durch die Anwendung des Modells auf die verschiedenen Technologiefelder der Elektromobilität können diese bewertet, miteinander verglichen und Defizit offensichtlich werden. Diese GAP-Analyse ist für viele Unternehmen der erste Schritt zu einer Modernisierung Ihres bestehenden Qualitätssystems in Richtung Elektromobilität.

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