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Risikoorientiertes Lieferantenmanagement

[07.04.2003]

Foto: sveta / fotolia.com
Die Beschaffung von Unternehmen ist vielen internen und externen Risikofaktoren ausgesetzt, die den wirtschaftlichen Erfolg und unter Umständen sogar die Existenz gefährden können. Aufgrund des sich weltweit verschärfenden Wettbewerbs, sich ändernde Rahmenbedingungen und immer volatilere Märkte gewinnt Risikomanagement im Einkauf zusehends an Bedeutung. Zum einen ist das Einkaufsvolumen gemessen am Umsatz stetig gestiegen und erreicht bei einigen Industrien einen Wert von 50 bis 60 Prozent. Die Verlagerung von Entwicklungs- und Führungsverantwortung auf Zulieferer zeigt die Wichtigkeit, dass auch Risikoaspekte bei der Lieferantenbeurteilung und –auswahl eine immer bedeutendere Rolle spielen, um Wertschöpfungspartnerschaften beispielsweise in keine "Abhängigkeitspartnerschaften" degenerieren zu lassen. Zum anderen bringt die Nutzung von weltweiten Beschaffungsmärkten zwar Kostenvorteile, aber die Risiken, denen das Unternehmen bei Global Sourcing Aktivitäten ausgesetzt ist, erhöhen sich sehr stark (Währungsrisiken, Lieferrisiken, Qualitätsrisiken, Insolvenzrisiken, etc.). Ein weiterer Trend, der die Wichtigkeit eines risikoorientierten Lieferantenmanagement verdeutlicht, wird durch den Gesetzgeber maßgeblich beeinflusst. Basel II beispielsweise ist nur der erste Schritt, auch leistungswirtschaftliche Risiken zu bewerten und transparent zu machen. Allerdings stellt das Eingehen von Beschaffungsrisiken an sich kein Problem dar (teilweise ist ohne Risiko kein Gewinn erzielbar), sondern vielmehr das unzureichende und unkontrollierte Vorhandensein bzw. Beherrschen von Risiken.

Bei den meisten Unternehmen wird unter Lieferantenmanagement die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Lieferantenbeziehungen verstanden. Dabei ist das Management der Lieferantenbasis, die Lieferantenbewertung und -entwicklung sowie die Lieferantenintegration gemeint. Risiko kann definiert werden als die Gefahr, dass Ereignisse ein Unternehmen daran hindern, seine Ziele zu erreichen bzw. seine Strategien erfolgreich umzusetzen. Somit umfasst Risikomanagement alle notwendigen Maßnahmen zur Identifikation, Bewertung und Beherrschung von Risiken.

Das Problem der meisten Unternehmen ist darin zu sehen, dass Risiken in der Beschaffung lediglich unter dem Versorgungsrisiko subsumiert werden. Dieser Ansatz greift aber zu kurz, da das Versorgungsrisiko meistens materialgruppenorientiert betrachtet wird und lieferantenbezogene Risiken, wenn überhaupt, nur unzureichend bewertet werden. Die Risiken in der Beschaffung sind aber wie ihre potenziellen Auswirkungen viel weiter zu definieren (es kann beispielsweise nach Preis-, Qualitäts-, Technologie- und Lieferzeitrisiken unterschieden werden und den Perspektiven Markt, Lieferant, Prozess und Produkt systematisch zugeordnet werden). Aufgrund der Wichtigkeit des Einkaufs ist es für Unternehmen lebenswichtig geworden, Risiken durch ein Frühwarnsystem rechtzeitig zu erkennen, da diese sich bei deren Realisierung negativ auf die Erreichung vorgegebener Ziele (z. B. Bestandsreduzierung durch Kanban) oder auf die Umsetzung von Beschaffungsstrategien (z. B. Einstandspreisreduzierung durch Global Sourcing) auswirken würden.

Die steigende Anzahl von Insolvenzen und die zunehmende Volatilität der Märkte sind zwei Beispiele dafür, dass lieferanten- und marktbezogene Risiken oft nur reaktiv gehandhabt werden. Des Weiteren ist es besonders wichtig herausstellen, dass die Risikoarten und das Ausmaß des Risikoeintritts stark von der Sourcing-Strategie abhängt.

Aus diesem Grund ist ein effizientes Risiko-Management-System in der Beschaffung zu implementieren, um potentielle Beschaffungsrisiken zu identifizieren, zu bewerten und geeignete Handhabungsstrategien zu definieren. Die Vorteile eines Risikomanagement-Systems in der Beschaffung liegen auf der Hand:

  • Vermeidung von Risiken und Minderung von Auswirkungen bei Eintritt durch präventive Risikohandhabungsmaßnahmen (z. B. durch Abschluss von Versicherungen)
  • Vermeidung von Imageschäden bei Risikoeintritt (z. B. bei Rückrufaktionen)
  • Optimierung der Lieferantenbasis und Sourcing-Strategien durch mehrdimensionale Bewertungskriterien
  • Konsequentes Ausschöpfen von Marktpotenzialen durch eine Risikobetrachtung und unter Berücksichtigung von Eintrittswahrscheinlichkeiten
  • Reduzierung der Total Cost of Ownership durch Alternativenbewertung
  • Optimierung der globalen Beschaffungsprozesse und Erhöhung der Prozesssicherheit
  • Reduzierung von Kosten bzw. Fehlleistungen und Erhöhung der Wirtschaftlichkeit
  • Erzeugung von Risikobewusstsein und –transparenz
  • Vermeidung von „Trouble-Shooting" durch Definition klarer Vorgaben
  • Vermeidung von zivil- und strafrechtlicher Haftung von Führungskräften bei entsprechenden Schadensereignissen

Bei der Konzepterstellung und Implementierung eines Risikomanagement-Systems in der Beschaffung sind zahlreiche Anforderungen zu erfüllen. Zum einen muss ein systematisches und einheitliches Vorgehen, das alle beschaffungsrelevanten Aktivitäten im In- und Ausland umfasst, beim Risikomanagementprozess definiert und implementiert werden. Grundvoraussetzung ist die das frühzeitige und vollständige Erkennen aller wesentlichen Beschaffungsrisiken.

Zum anderen muss aber auch die Risikoaffinität, d. h. die unternehmensindividuelle Festlegung der Risikobereitschaft, durch eine angemessene Risikopolitik definiert werden. Aufbauend auf der Risikoidentifikation ist es notwendig, die Einzelrisiken unter Berücksichtigung von Eintritts­wahrscheinlichkeiten zu bewerten und Risikoberrschungsmaßnahmen zur Absicherung zu definieren. Die Effizienz und Eignung dieser Maßnahmen muss in einem beschaffungsorientiertem Risikocontrolling laufend dokumentiert, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dieses Vorgehen muss aber immer im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit der Handhabung betrachtet werden.

Ein beschaffungsorientiertes Risikomanagement-System kann aufgrund der Beurteilungssystematik oder durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess laufend optimiert werden, aber die Realität mit der Gesamtheit ihrer Störgrößen kann dennoch bewirken, dass sich Risiken realisieren und Schäden entstehen. Aus diesem Grund müssen Unternehmen trotz allem auf solche Fälle vorbereitet sein (z. B. durch Notfallpläne), um die Gefahr zu vermeiden, dass ein funktionierendes Risikomanagement-System nicht durch ein Krisenmanagement-System ersetzt wird.

Weiterführende Literatur:

Seminare und Arbeitskreis:

  • Der Arbeitskreis Risikomanagement bietet Unternehmen die Möglichkeit, leistungswirtschaftliche und finanzielle Risiken systematisch und unternehmensindividuell zu analysieren. Aufbauend auf ein Risikomanagement-System sollen auch konkrete Handlungsoptionen zur Optimierung der eigenen Risikoposition abgeleitet werden.
    Zu diesem Thema empfehlen wir auch das Seminar Materialkostensenkung. Durch Referenten aus der Unternehmenspraxis sowie anhand von Fallstudien werden Möglichkeiten und Vorgehensweisen zur Reduzierung der Kosten und Risiken in der Beschaffung aufgezeigt. Das Seminar findet statt vom 2.-4. Juli 2003 in München.
    Der Arbeitskreis Materialkostensenkung bietet Unternehmen die Möglichkeit, systematisch und unternehmensindividuell Potenziale in der Beschaffung zu erschließen und Best-Practice-Lösungen im Einkaufsbereich umzusetzen.

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