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Tool zur Gestaltung von Software-Produktordnungssystemen

[15.02.2010]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Die Rahmenbedingungen in der Softwareentwicklung ändern sich ständig. Wiederverwendung und Wandlungsfähigkeit innerhalb der Produktprogramme von Softwareunternehmen sind notwendig, um effizient auf steigende Kundenanforderungen und permanente Marktveränderungen reagieren zu können. Vielen Softwareunternehmen mangelt es jedoch an Methoden, um einen betriebswirtschaftlich optimalen Grad der Wiederverwendung innerhalb und zwischen verschiedenen Produktlinien realisieren zu können. Die Übertragung von Produktordnungssystem- sowie Produktlinien-Konzepten, wie sie in der Industrie bereits erfolgreich eingesetzt werden, bietet große Potenziale für die Softwareentwicklung. Der Einsatz eines IT-gestützten Tools ermöglicht es Softwareunternehmen, unternehmensindividuelle Handlungs- und Methodenempfehlungen zur Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems (SPOS) zu erhalten.

Aufgrund steigender Komplexität von Technologien und Produkten sowie der Vielfalt von Kundenanforderungen sind zunehmend auch Softwareunternehmen gezwungen, einerseits möglichst viele Produktvarianten anbieten zu können, andererseits jedoch die Entwicklungskosten und Time-to-Market zu reduzieren. Dem kann durch systematische Wiederverwendung entgegengewirkt werden. Hierfür wurde das Konzept von Produktordnungssystemen aus der Industrie auf die Softwareentwicklung übertragen. Bekannt geworden sind Produktordnungssysteme vor allem in der Automobilindustrie in Form zahlreicher Plattform- und Gleichteilestrategien, durch die teilweise sogar unternehmensübergreifende Synergiepotenziale erzielt werden. Die Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems (SPOS) ermöglicht einen strukturierten Aufbau eines Produktprogramms, durch den das Spannungsfeld zwischen Individualisierung der Softwareprodukte nach außen (zum Markt hin) und Standardisierung nach innen (im Unternehmen) durch optimale Wiederverwendung gelöst werden kann. Dahinter verbirgt sich jedoch ein aufwendiger Prozess, der durch den Einsatz verschiedener Methoden unterstützt werden muss.

Häufig fehlen allerdings gerade kleinen und mittelständischen Softwareunternehmen die Kapazitäten, Wiederverwendung insbesondere auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Zur Unterstützung wurde daher ein IT-gestütztes Tool zur Gestaltung von Software-Produktordnungssystemen entwickelt. Dieses ermöglicht es Softwareunternehmen, anhand identifizierter Einflussgrößen und deren spezifischen Ausprägungen individuelle Handlungs- und Methodenempfehlungen für die Optimierung von Wiederverwendung in der Softwareentwicklung zu erhalten. Als ersten Schritt zur Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems ist die unternehmensindividuelle Ausgangssituation zu ermitteln. Nachdem der Tool-Anwender einige Angaben zur Situation des eigenen Unternehmens gemacht hat, werden entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet und weiterführende Informationen angezeigt.

Das Tool basiert auf einem Modell, in dem Erfahrungen aus dem Bereich industrieller Produktordnungssysteme wie auch aus dem Software Engineering zu einem verallgemeinerten Algorithmus zusammengeführt wurden. Zunächst müssen durch den Anwender Angaben zu Einflussgrößen gemacht werden, also zu unternehmensspezifischen Kriterien des Marktumfeldes, der Software-Produkte sowie der Softwareentwicklung. Solche Einflussgrößen sind beispielweise die ‚Heterogenität der Kunden- und Marktanforderungen’ (Existieren viele unterschiedliche funktionale sowie nicht-funktionale Anforderungen? Gibt es viele verschiedene Kunden- / Marktsegmente?) oder den ‚Standardisierungsgrad der Architektur’ (In welchem Ausmaß werden die Produkte mit einer Softwarearchitektur geplant und wie stark wird produktreihenübergreifende Wiederverwendung betrieben?). In diesem Fragenteil müssen also unternehmensexterne und -interne Aspekte beantwortet werden, bevor der Algorithmus des Tools startet. Auf Basis der Bewertungen werden durch das Tool dann individuelle Empfehlungen zur Anwendung bestimmter Methoden ausgesprochen. Die Methoden sind nach den drei Phasen bei der Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems sortiert:

  1. Analysephase
  2. Planungsphase
  3. Umsetzungsphase

In der ersten Phase können z. B. zur Analyse des Produktprogramms die Produkt- und Funktionsstrukturen aufgenommen sowie die Kundenanforderungen mittels ‚Conjoint Analyse’ oder ‚Kano-Modell’ ermittelt werden. In der Planungsphase können beispielsweise die Bündelungstreibermatrix und Design Patterns zur Anwendung empfehlenswert sein. Und in der Umsetzungsphase eignen sich eventuell Methoden des ‚Target Costing’ oder eine ‚Make-or-Buy-Analyse’. Insgesamt sind in dem Modell über 40 Methoden aus der Betriebswirtschaft und dem Software Engineering hinterlegt. Der Methodeneinsatz ist stets sehr individuell auszugestalten. Daher werden alle Methoden durch Angabe eines Punktwertes hinsichtlich ihrer Eignung für das betrachtete Unternehmen priorisiert. Durch Anklicken von Verknüpfungen kann der Tool-Anwender schließlich zu jeder aufgelisteten Methode weiterführende Informationen in Steckbriefen aufrufen. Somit kann eine Entscheidung zum unternehmensspezifischen Methodeneinsatz vorbereitet werden. Das Prinzip des Tools wird in der folgenden Abbildung nochmals zusammengefasst:


Abb.: Tool zur Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems – Prinzip und Vorgehensweise

Ziel bei der Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems ist es, die Architektur der Softwareprodukte so auszulegen, dass eine optimale Wiederverwendung innerhalb eines Produktprogramms realisiert werden kann. Das vorgestellte IT-gestützte Tool hilft Softwareunternehmen, Transparenz über die eigenen Rahmenbedingungen für eine systematische Wiederverwendung zu schaffen sowie die unternehmensspezifische Relevanz und Eignung des Einsatzes verschiedener Methoden zu identifizieren. Dies stellt die Basis für die Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems im Rahmen interdisziplinärer Projektarbeit dar. Aufgrund der Komplexität des Methodeneinsatzes und des Aufwandes sollten dabei allerdings externe Know-how-Träger mit industriellen Erfahrungen hinzugezogen werden.

Weiterführende Literatur

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