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Total Cost of Ownership im Anlagenbau

[12.01.2006]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Ein Denkansatz – zwei Wirkungsrichtungen: Total-Cost-of-Ownership zur internen Kostenoptimierung und als externe Vertriebsargumentation im Anlagenbau.

Die Erkenntnis, dass Kostensenkungen keinesfalls das Allheilmittel im Konkurrenzkampf sind, ohne Kosteneffizienz jedoch das Behaupten auf der globalen Bühne des Anlagenbaus fast unmöglich ist, hat sich in den deutschen Chefetagen weitestgehend durchgesetzt. Der globale Wettbewerb in Bezug auf Preise, Innovationen und Zeit hat in der einstigen deutschen Paradedisziplin des Anlagenbaus längst Einzug gehalten. Das Beispiel zeigt auf, wie in diesem Umfeld der TCO-Ansatz als Basis für den Einsatz von Maßnahmen zur Senkung von Prozess- und Herstellungskosten dienen kann und als Verkaufargument ins Feld geführt werden kann.

Bei dem betrachteten Unternehmen handelt es sich um einen Hersteller von Förderanlagen. Sein Leistungsportfolio umfasst neben der Entwicklung und Produktion auch die Projektierung und Umsetzung komplexer Förderanlage sowie die Systemintegration und Implementierung der projektspezifischen Steuerungs- und IT-Landschaft.

Der starke Kostendruck, dem sich das Unternehmen ausgesetzt sieht, ist maßgeblich auf die zunehmende Konkurrenz so genannter Billiglohnländer in Osteuropa und Asien zurückzuführen. Dabei kommen insbesondere bei der lohnintensiven Fertigung der Fördermodule die Faktorkostenunterschiede zum Tragen. Die immer weiter abnehmenden Qualitätsunterschiede, die vor kurzem noch als schlagkräftiges Argument für „made in Germany" angeführt werden konnten, erhöhen den Druck. Neben dem Kostennachteil in den Fertigungskosten führten der geringe Standardisierungsgrad der Komponenten und eine hohe Anzahl kundenspezifischer Varianten zu hoher Komplexität und damit zu Kosten- und Zeitdefiziten bei Montage und Installation der Forderanlagen.

Ziel des Projektes war es, Kostenreduktionspotenziale zu identifizieren und die Basis für eine neue Vertriebsstrategie zu schaffen. Die angestrebte Kostenreduzierung sollte zum einen im Bereich der Herstellkosten realisiert werden, jedoch mit der Vorgabe, Leistungseinschränkungen nicht nur zu vermeiden, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen Lösungsansätze zu entwickeln, die eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Module sicherstellen. Als zweite Potenzialquelle wurden die der Fertigung nachgelagerten Prozesse des Projektgeschäfts herangezogen. Durch entsprechende Berücksichtigung der Prozesslandschaft bei der Entwicklung konstruktiver Produktänderungen sollten Projektierungs- und Montagezeiten sowie die damit verbundenen Kosten reduziert werden. Die Abkehr der Betrachtung einzelner Kostenblöcke und die Fokussierung der Total Costs of Ownership der gesamten Förderanlage für den Hersteller stellte einen grundlegenden Wechsel in der Denkweise des Unternehmens dar. Konstruktive und prozessuale Änderungen sollten nunmehr vor dem Hintergrund der Gesamtkosten eines Projektes erfolgen und Auswirkungen auf Entwicklung, Einkauf, Produktion, Projektierung, Logistik, Montage und Inbetriebnahme berücksichtigen.

Parallel zu dieser „internen TCO-Orientierung" sollte dieser Grundgedanke auch auf der Vertriebsseite zum Tragen kommen. Trotz der Langlebigkeit der Förderanlagen und ihres Charakters als klassische Investitionsgüter waren bis dato die Anschaffungskosten in den Verhandlungen mit Kunden preis-dominierend. Die Differenzierung im Wettbewerb sollte nunmehr über eine konsequente Vermarktung und die Darlegung der Vorteilhaftigkeit einer Gesamtkostenbetrachtung des Projektes für den Kunden erfolgen. Langlebigkeit, Wartungsfreundlichkeit, minimale Stillstandszeiten und Stromverbrauch als Vorgaben für konstruktive Änderungen waren die Folge.

Zur Erreichung der gesteckten Ziele wurde die Produktklinik, eine strukturierte und methodengestützte Vorgehensweise zur Wertgestaltung von Produkten und Prozessen, herangezogen. Für die Analyse wurden die wichtigsten Fördermodule ausgewählt, mit denen ca. 75% eines durchschnittlichen Förderanlagenprojektes abgebildet werden können.  Durch die Demontage von Konkurrenzprodukten und den technischen und kostenbezogenen Vergleich von konstruktiven Lösungen auf detaillierter Funktionsbasis einzelner Teile und Baugruppen wurde die Basis für die Ableitung von neuen Lösungsansätzen geschaffen. Im Sinne eines „Cherry-Picking" wurden die verschiedenen Funktionslösungen einander gegenübergestellt. Die Anforderungen, die aus den marktseitigen Anforderungen an die Einflussfaktoren der „externen TCO" des Kunden resultierten, fanden bei der Beurteilung bestehender und der Entwicklung neuer Lösungen besondere Berücksichtigung. Um die angestrebten Verbesserungen in der Anlagenprojektierung, Montage und Installation zu gewährleisten, wurden der Ausbau des modularen Produktkonzeptes und die Verfolgung eines mechatronischen Ansatzes als wichtigste Stellhebel identifiziert.

In Abhängigkeit von den jeweiligen Modulen konnten durch dieses Vorgehen die Materialkosten um durchschnittlich 27% gesenkt werden. Projektkostenvergleiche von Referenzlayouts führten zur Identifikation eines Prozesskostenpotenzials von 43%.

Die Fokussierung und aktive Vermarktung der TCO für den Kunden als Basis für Projektverhandlungen führte zur erfolgreichen Umstellung der Vertriebsstrategie von Förderanlagen. Die konstruktiven Änderungen, die aus der Orientierung am Gesamtkostendenken der Kunden resultierten, führten zu einer nachhaltigen Differenzierung im Wettbewerb. Der TCO-Denkansatz war darüber hinaus Keimzelle für weitergehende vertriebspolitische Entwicklungen wie das Angebot von nutzungsorientierter Preisgestaltung („pay per item transported") und Betreibermodelle.

Zur Umsetzung der Ansätze wurde ein detaillierter Zeit- und Kapazitätsplan bezüglich der vorzunehmenden Konstruktionsänderungen, Beschaffungsaktivitäten und Umstrukturierungen in der Fertigung und Logistik entwickelt, der den Projekteinsatz des neuen Produktkonzeptes innerhalb von 10 Monaten realisiert. Die Konzipierung und Umsetzung der „TCO-Vertriebspolitik" erfolgte in einem Zeitrahmen von 6 Monaten und wurde seither erfolgreich in drei Großprojekten eingesetzt.

Literatur

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