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Ausgestaltung des Produktordnungssystems bringt Anlagenbauer Kosten- und Durchlaufzeitreduzierung von bis zu 50 %

[20.05.2003]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Ein international operierendes mittelständisches Unternehmen sah sich mehreren Herausforderungen gegenübergestellt. Durch das anhaltend starke Wachstum konnte die quantitative Komplexitätserhöhung im Produktprogramm mit den bestehenden Strukturen nicht mehr effizient bewältigt werden. Das Produktprogramm umfasste ein großes Spektrum an verschiedenartigsten Produkten des Großanlagenbaus. Erschwerend kam die den Stan­dardisierungs­bestrebungen entgegenwirkende Aufrechterhaltung der Kundenindividualität zur Gewinnung neuer Aufträge hinzu. Die Folgen der geänderten Rahmenbedingungen waren stark steigende Kosten und verlängerte Durchlaufzeiten. Dabei kommt gerade im Großanlagenbau den Durchlaufzeiten entscheidende Bedeutung zu.

Zielsetzung

Dem Kostendruck war durch eine Senkung der Herstellkosten von 25 - 40 % je nach Produkt standzuhalten. Die Senkung der Herstellkosten sollte dabei durch mehrere Ansatzpunkte erreicht werden. Bei Modulen und Systemen, die in höheren Stückzahlen zum Einsatz kamen sollte ein höherer Standardisierungsgrad erreicht werden. Durch die Einrichtung von Wiederholteilkatalogen sollten auch der Gleichteileanteil insgesamt gesteigert werden. Neben der Standardisierung war die andere Wirkrichtung die Durchlaufzeitverkürzung. Bei der Konstruktion neuer Anlagen sollten vermehrt auf schon bestehende Unterlagen zurückgegriffen werden. Dafür war die Schaffung einer höheren Transparenz im Produktprogramm notwendig. Die Transparenz sollte auch dadurch gesteigert werden, dass die Unterlagen durchgängig über die Wertschöpfungskette verwendet wurden. Betrachtungsgegenstand waren Produkte mit einem jährlichen Herstellkostenvolumen von ca. 100 Mio. EUR. Das Konzept war innerhalb von sechs Monaten auszugestalten.

Vorgehensweise und Methodik

Das betrachtete Produktordnungssystem weist eine hohe Komplexität bei geringen Stückzahlen pro Produkt auf. Dabei lassen sich einige markante Ausprägungen feststellen. Produkt­ordnungs­systeme diesen Typs werden zumeist Top-down betrachtet. Eine bottom-up Betrachtung ist aufgrund der hohen Komplexität kaum zu fassen, zudem müsste die bottom-up Betrachtung aufgrund der geringen Stückzahlen für jedes Produkt neu durchgeführt werden. Bei bis zu 200.000 Einzelteilen pro Produkt war es schwer möglich, das Produkt in seiner Gesamtheit zu durchdringen. Außerdem sind aufgrund der geringen Gleichteilerate Bündelungseffekte schwer zu erzielen. Vielmehr war es entscheidend, das Gesamtprodukt in sinnvolle Pakete zu unterteilen. Dabei spielte vor allem die Beziehung zwischen einzelnen Elementen eine große Rolle, da die abgegrenzten Aufgabenpakete möglichst autonom abwickelbar sein sollten, um eine geringe Durchlaufzeit oder Lieferzeit zu erreichen. Deswegen wurde der Versuch unternommen, möglichst viele Prozesse zu parallelisieren. Dies trifft vor allem auf die intensive Entwicklungs- und Konstruktionsphase zu, für die das Produktordnungssystem optimiert wurde. Wegen der oft langen Lebensdauern der Produkte war auch die Optimierung des Produktordnungssystems für den After-Sales-Bereich von hoher Bedeutung.

Um überhaupt eine Vergleichbarkeit zwischen den Produkten zu erreichen, wurden die Funktionen der Produkte analysiert. Den Funktionen wurden dann Module und Systeme zugeordnet. Ziel war also die Erreichung einer möglichst großen Übereinstimmung von Funktionalitäten und physischen Baugruppen, um die Koordinationsaufwände möglichst gering zu halten und so einen hohen Parallelisierungsgrad zu erreichen. Um überhaupt Bündelungseffekte zumindest im Einsatz von Technologien oder systemgleichen Teilen zu ermöglichen, wurden in einer Matrix die Module und Systeme der 1. Ebene den Produkten zugeordnet. In nächsten Schritt erfolgte eine weitere Aufspaltung der Module und Systeme. Insgesamt enthält das Produktordnungssystem in seiner jetzigen Form fünf Hierarchieebenen, wobei alle Module über eine spezielle Nummernsystematik erfasst wurden. Der Hauptzweck des Produktordnungssystems liegt in einer optimierten Strukturierung und der damit verbundenen Schaffung von Transparenz.

Die Standardisierungsbestrebungen beschränkten sich auf Module, die in höheren Stückzahlen angeboten werden konnten, wie zum Beispiel Fahrerhäuser oder Fahrwerke. Bauteile die nicht von spezifischen Gegebenheiten der Kunden betroffen waren wurden zu Plattformen gebündelt oder bildeten Gleichteile. So konnte für einzelne Module ein Gleichteileanteil von bis zu 78 % erzielt werden. Probleme bereiteten auch die langen Lebenszyklen der Produkte. Unterschiedliche Zuverlässigkeiten einzelner Module/ Systeme machten teilweise hohe Service- und Reparatur­aufwände erforderlich. Das Produktordnungssystem musste also auch für das After-Sales-Geschäft optimiert werden. Dies wurde durch ein Schnittstellendefinitions und -vereinheitlichungsprogramm erreicht. Dabei war besonders auf die Zugänglichkeit und Lösbarkeit gefährdeter Baugruppen zu achten. Um die Komplexität in der Ersatzteilbevorratungen einzugrenzen, wurden für Standardteile wie Schrauben, Bolzen oder Standardsegmente Firmenstandards definiert.

Wirkanalyse

Durch das Projekt konnten die Herstellkosten um durchschnittlich 35 % gesenkt werden. Durch eine Steigerung des Gleichteileanteils in den verwendeten Module der 1 Ebene auf durchschnittlich 14 % konnte die Anzahl der Teilenummern um 9 % reduziert werden. Insgesamt wurde für 8 von 46 Modulen der 1 Hierarchieebene Plattformen definiert, was wesentlich zur Verringerung der Herstellkosten beiträgt. Wichtiger als der Standardisierungseffekt war jedoch der Effekt der Strukturierung des Produktordnungssystems. Bei gleichem Kapazitätseinsatz konnte die Durch­lauf­zeit bei einigen Produkten um mehr als 50 % gesenkt werden. Durchschnittlich ergab sich eine Durchlaufzeitverkürzung von 34 %. Das Unternehmen wurde dadurch in die Lage versetzt, wesentlich mehr Aufträge wie bisher bearbeiten zu können, was sich in einer Umsatzsteigerung von 18 % im ersten Jahr äußerte. Weitere Effekte sind die vereinfachte Produktkonfiguration für den Vertrieb, die höhere Transparenz des Produktprogramms für den Kunden, sowie die verbesserte Qualität der Produkte.

Weiterführende Literatur:

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