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Erarbeitung und Umsetzung einer E-Competence-Strategie für ein Industrieunternehmen mit verschiedenen Absatzmärkten

[11.02.2003]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
In zunehmendem Maß bedienen sich Unternehmen der Informations- und Kommunikations­technologie, um Geschäftsprozesse effizienter abzuwickeln und ihre Kostenposition nachhaltig zu verbessern. Die "Digitalisierung" von Prozessen verändert die Märkte: Geschäftsmodelle werden obsolet, weil ihre Value Proposition nicht mehr länger existiert oder die Leistung vernetzter Partner einen höheren Nutzen stiftet. Unternehmen sind gezwungen, eine E-Competence aufzubauen. Sie müssen den Einfluss der Digitalisierung auf ihr Geschäft verstehen und robuste Strategien zur Ausnutzung der sich bietenden Chancen implementieren.

Die deutsche Division eines international tätigen Industrie­unternehmens sah sich mit einem drastisch sinkenden Ertrag auf das eingesetzte Kapital konfrontiert. Dieser drittelte sich, was maßgeblich an einer mehr als halbierten Umsatzrendite lag. Das nachfolgend näher beschriebene Projekt war Teil des daraufhin aufgesetzten Restrukturierungsprogramms.

Die Unternehmung war zum Projektzeitpunkt in drei verschiedenen Märkten aktiv tätig. Im Volumenmarkt erfolgte die Produktion von Zulieferteilen für Haushaltsgeräte, die durch OEMs montiert und über deren Fachhandel vertrieben wurden. Neben diesem Volumenmarkt bediente man die Hersteller von Industrieanlagen. Die Belieferung des Elektrogroßhandels mit Ersatz- und Ausbaukomponenten bildete das dritte Marktsegment.

Die elektronische Unterstützung der Geschäftsprozesse wurde von Anfang an als strategisches Gestaltungsfeld angesehen, da man über eine zügige und direkte Anbindung seiner Partner Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen in der Auftragserfüllung erreichen wollte. Unklarheit bestand hingegen in der Frage, welche Auswirkungen die elektronische Prozess­abwicklung auf die Marktstruktur haben würde und inwieweit man selbst auf diese Veränderungen vorbereitet war.

Zur Verbesserung der Wettbewerbsposition in den abgestammten Märkten war es notwendig,

  • genaue Informationen über das Ausmaß möglicher Veränderungen durch den Einsatz moderner IuK-Technologie zu gewinnen.
  • dem Kunden Wege aufzuzeigen, wie er sich innerhalb des veränderten Marktumfelds optimal positionieren kann und
  • Maßnahmen zu definieren und umzusetzen, mit denen eine angestrebte Position im zukünftigen Marktumfeld besetzt werden kann.

Die Abwicklung des Projekts erfolgte in drei Phasen. Den Untersuchungsbereich bildeten die Themenbereiche Einkauf, Absatz und Wettbewerb.

In einem ersten Schritt wurde die zukünftige Entwicklung im Untersuchungsbereich prognostiziert. Die Diskussion der Themen erfolgte in einem Gremium von Experten aller beteiligten Bereiche und wurde abschließend zusammengefasst. Gespräche mit der Unternehmens- und Bereichsleitung bildeten neben Erfahrungswissen und Sekundärmaterial die Basis für eine Analyse von Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken des Kunden im zukünftigen Marktumfeld.

Die Strategiebildung folgte im Anschluss an die Zieldefinition. Die kooperative Erarbeitung und Überprüfung der Elemente dieser Strategie stellte sicher, dass Restriktionen auf Seiten des Kunden ausreichend Berücksichtigung fanden.

Ziel der dritten Phase war die Definition und Zusammenstellung von Maßnahmen zu einzelnen Arbeitspaketen.

Neben der Analyse des aktuellen und zukünftigen Umfelds, der Strategiebildung, der Konzeption von Aufgabenpaketen und der Erarbeitung des Umsetzungsplans bot das TCW Unterstützung bei der monetären Bewertung der verschiedenen Maßnahmenkonzepte wie auch bei dem anschließenden Maßnahmencontrolling.

Die Analyse des Volumengeschäfts unseres Kunden machte deutlich, dass Defizite hinsichtlich der Abstimmung mit den OEMs bestanden. Im Vorfeld der Verkaufsförderungsprogramme des OEMs erfolgte keine Information, so dass sich negative Auswirkungen auf die Produktions­programm­planung des Unternehmens einstellten. Trotzdem verfügte das Unternehmen über eine erstklassige Liefertreue und -flexibilität. Im Rahmen der Anbindung der Systeme seiner Großkunden über EDI waren bereits erste Erfahrungen mit der zwischenbetrieblichen Kopplung von IV-Systemen gesammelt worden. Als Chance wurde die Erweiterung der Produktpalette gesehen, wodurch die Möglichkeit des Aufstiegs zum Modullieferanten greifbar wurde.

Im Segment der industriellen Anwendung bot sich die Möglichkeit, die bestehende Kundenbindung über eine elektronische Verknüpfung der Wertschöpfungsketten zu intensivieren. Dies bedingte Investitionen auf Seiten der technischen Infrastruktur: Das ERP-System erlaubte beispielsweise keine Anbindung an eine Lieferkettenplattform. Auf der inhaltlichen Ebene sah es besser aus: Die technischen Produktbeschreibungen lagen bereits im Intranet vor und konnten mit geringem Aufwand auch den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Dagegen war es dem OEM bislang nicht möglich, den Verfügbarkeitsstatus der Zulieferteile online abzufragen.

Im bisherigen Großhandels-Segment bot sich die Chance, von dem bisher indirekten auf direkten Vertrieb umzustellen und dadurch ein feineres Gespür für den Kundenwunsch zu entwickeln. Zusätzlich würde somit eine zeitnahe Versorgung des Kunden mit detaillierten technologischen Skizzen und Daten ermöglicht. Als vorteilhaft erwies sich der Umstand, dass die produkttechnischen Unterlagen bereits digitalisiert im Intranet verfügbar waren.

Allerdings fand eine systematische Aktualisierung der technischen Katalogdaten nicht statt. Die geringe Leistungsfähigkeit des betrieblichen ERP-Systems stellte ein weiteres Hindernis für die direkte Verknüpfung der internen Daten mit der Website dar.

Auf Basis der mittels Szenariotechnik und SWOT-Analyse gewonnenen Daten wurden einzelne Handlungsfelder definiert und zu Aufgabenpaketen zusammengefasst. Bezogen auf den Absatz waren dies unter anderem die Implementierung eines elektronischen Ausstellungsraumes sowie einer digitalen Bibliothek, z. B. für Installationsinformationen.

Die abschließende Implementierung der Maßnahmen erfolgte innerhalb der folgenden sieben Monate. Die elektronische Gestaltung der Geschäftsprozesse führte zusammen mit den tangierten Projekten im betrachteten Bereich zu einer Senkung der Vertriebskosten um 23 %. Bei vergleichbaren Umsätzen erhöhte sich die Umsatzmarge um knapp 40 %.

Weiterführende Literatur

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