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Risikomanagement und Rating bei Industrieunternehmen

[14.01.2003]

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Die größer werdenden Auswirkungen der Globalisierung und die immer schnellere Veränderung der internen und externen Einflussgrößen stellen neue konzeptionelle und methodische Anforderungen an ein leistungswirtschaftliches Risikomanagement-System. In der Vergangenheit war lediglich der Finanzbereich durch ein integriertes Risikomanagement-System gekennzeichnet, aber die aus der Komplexität entstandenen internen und externen Risiken spiegeln sich in allen Unternehmens­bereichen wider.

Das steigende Kostenbewusstsein und die wachsende Volatilität der Märkte erhöhen den Druck von Unternehmen, ein aktives Risikomanagement-System auf den leistungswirtschaftlichen Bereich auszuweiten. Ein modernes Risikomanagement- und Rating-System muss daher funktions- und bereichsübergreifend die einzelnen leistungs- sowie finanzwirtschaftlichen Risiken identifizieren, bewerten und daraus Handlungsempfehlungen ableiten. Da die leistungswirtschaftlichen Risiken den finanzwirtschaftlichen vorgelagert sind, muss der traditionelle Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements auf Kunden, Prozesse, Wettbewerber, Produkte und Lieferanten ausgeweitet werden.


Industrieunternehmen werden auch zukünftig hohe Investitionen tätigen müssen, um bei steigender Dynamik im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die dominierende Finanzierungsform, besonders bei deutschen Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMUs), ist nach wie vor der klassische Firmenkredit – alternative Finanzierungsformen wie Private Equity oder Kreditsubstitute sind hierbei heute noch von untergeordneter Bedeutung. Die im Vergleich zu angloamerikanischen Unternehmen relativ geringe Eigenkapitalausstattung führt oft zu einem geringen "Risikopuffer" und zu ungünstigen Bilanzrelationen, die wiederum den Spielraum zur Kreditaufnahme besonders bei KMUs einschränken. Der hohen Bedeutung des Bankenkredits für die Finanzierung stehen veränderte Anforderungen auf Seiten der Kapitalgeber gegenüber. So müssen Banken zur Erfüllung der Anforderungen aus BASEL II zukünftig eine Eigen­kapital­unterlegung, differenziert nach Risiko-Ratings, vornehmen. Externe und interne Ratingverfahren sollten neben der quantitativen Beurteilung (z.B. klassische Bilanzanalysen) auch qualitative Aspekte berücksichtigen (Qualität des Berichtswesens, Managementqualitäten, Umgang mit Geschäfts­risiken, etc.). Somit sind in einem Rating neben finanzwirtschaftlichen Risiken auch alle leistungswirtschaftlichen Risiken zu berücksichtigen. Hierzu zählen Risiken aus Produktion, Logistik, Forschung und Entwicklung, Personal, Einkauf, Qualität, Auftragsabwicklung und Vertrieb.


In der quantitativen Beurteilung der leistungswirtschaftlichen Risiken liegen bislang die größten Probleme der eingesetzten Ratingverfahren. Orientiert man sich beispielsweise an der Balanced Scorecard, so ist festzustellen, dass die Prozess-, Kunden sowie die Lern- und Entwicklungs­perspektive bei traditionellen Ratingverfahren nicht ausreichend Berücksichtigung finden. Dominierende Beurteilungsdimension im Rating ist die finanzwirtschaftliche Perspektive – vernachlässigt werden die mit den leistungswirtschaftlichen Prozessen verbundenen Risiken. Gerade diese Risiken sind jedoch häufig die Ursache für finanzwirtschaftliche Risiken oder bedingen diese sehr stark. Ein umfassendes Rating muss, um die Situation realitätsnah erfassen zu können, folglich stärker als bisher auch die leistungswirtschaftlichen Risiken erfassen. Mit der Notwendigkeit der Beurteilung der Risikolage durch ein Rating steigt auch die Bedeutung der internen Risikomanagement-Systeme. Durch den Einsatz eines effizienten und effektiven Risikomanagement-Systems kann das Risiko als wertorientierte Steuerungsgröße genutzt werden.


Folgende Erfolgsfaktoren sind bei der Einführung von Risikomanagement-Systemen von besonderer Bedeutung:

  • Orientierung an spezifischen Wert- und Kostentreibern
  • Identifikation aller wesentlichen und bestandsgefährdenden Risiken
  • Kontinuierliche Beobachtung und Erfassung der Risikolandschaft des Unternehmens und der Umwelt
  • Qualitative und quantitative Bewertung der Risiken und ihre Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg
  • Umfassende und aktuelle Risikodokumentation zur Erhöhung der Transparenz
  • Implementierung einer entsprechenden Risikomanagement-Organisation
  • Erhöhung des Risikobewusstseins bei den Mitarbeitern
  • Schaffung und Förderung einer Kultur des offenen Umgangs mit Risiken

Weiterführende Literatur:

Arbeitskreis:

Der Arbeitskreis „Risikomanagement und Rating Leistungswirtschaftlicher Unternehmensrisiken" beginnt am 10.April 2003 und bietet Unternehmen die Möglichkeit, leistungswirtschaftliche und finanzielle Risiken systematisch und unternehmensindividuell zu analysieren. Aufbauend auf ein Risikomanagement-System sollen auch konkrete Handlungsoptionen zur Optimierung der eigenen Risikoposition abgeleitet werden.

Informationen zum Arbeitskreis „Risikomanagement und Rating" finden Sie unter http://www.bwl.wi.tum.de/webseiten/arbeitskreise/risikomanagement/

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