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Vom Mitarbeiter zum Mitunternehmer

[07.12.1999]

Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.com
‘Ein Indiz dafür, wie lernfähig ein Unternehmen ist, zeigt sich auch darin, wie weit Mitarbeiter zu Mitunternehmern gemacht werden und ihnen die Möglichkeit geboten wird, über aktive Beteiligung und direkte Wertschöpfung zur Sicherheit ihrer Arbeitsplätze ebenso wie zu den Spielräumen sozialer Leistung beizutragen‘. Dies ist die Aussage eines Vorstandsmitgliedes der Volkswagen AG, der es wissen muss, denn die Erfolge des Unternehmens sprechen für sich. Schneller lernen als die Konkurrenz in Kombination mit eigenverantwortlichem unternehmerischem Denken und Handeln auf breiter Mitarbeiterbasis stellen Erfolgsfaktoren dar, die auch zukünftig im 21. Jahrhundert das Erreichen und nachhaltige Sichern von Wettbewerbsvorteilen am Markt erlauben. Denn nur durch eine langfristig angelegte Orientierung am Unternehmenswert sowie seine sukzessive Verbesserung anstelle einer auf kurzfristige Ergebnissen fokussierten Unternehmenssteuerung lassen sich vorhandene Ressourcen effizient im Sinne der Unternehmensstrategien einsetzen. Als Mitunternehmer agierende Mitarbeiter beziehen gleichermaßen die Interessen aller organisationsinternen sowie -externen Referenzgruppen ein mit dem Ziel, als Partner sowohl des Kunden als auch der Arbeitnehmer, Shareholder und Gesellschaft die Nummer eins im nationalen und globalen Wettbewerb zu sein.

Modulare Unternehmensstrukturen erfordern Mitarbeiter als Mitunternehmer

Nur das Unternehmen wird im Markt erfolgreich bestehen, das den Markt- und Kundenanforderungen mit der richtigen Organisationsform begegnet. Angesichts zunehmend gesättigter Märkte in einem immer globaler werdenden Wettbewerb, gewandelter Produktanforderungen und der begrenzten Erfolgspotentiale einer reinen Kosten­führer­schafts­strategie sind Unternehmen heute gefordert, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Die Schaffung modularer Organisationsstrukturen z.B. durch die Segmentierung direkter und indirekter Unternehmensbereiche sichert einen hohen Flexibilitätsgrad und trägt nachhaltig zur positiven Beeinflussung der Erfolgsfaktoren Zeit, Qualität und Kosten bei. Kleine sich selbst steuernde organisatorische Einheiten werden insbesondere durch die Institutionalisierung von Gruppen/Teams in der Produktion sowie in den ihr vor- und nachgelagerten Bereichen erreicht. Speziell im Rahmen der Gruppenarbeit erfolgt eine Übertragung von Planungs-, Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationsbefugnissen, die eigenverantwortliches, zielorientiertes Denken und Handeln seitens der Teammitglieder unmittelbar voraussetzen. Neben der Delegation ‘unternehmerischer Entscheidungskompetenz‘ erfordern modulare Organisationsformen jedoch auch eine angemessene Beteiligung des einzelnen am unternehmerischen Risiko. Die Verlagerung der Kosten- und Ergebnisverantwortung in die Segmente leistet in dieser Hinsicht einen bedeutenden Beitrag und führt über die Ausgestaltung von Cost- oder Profit-Centern zu einer Steuerung der modularen Einheiten nach betriebswirtschaftlichen Maximen.

Personalentwicklung dient als Transmissionsriemen zur Implementierung des Konzeptes vom Mitarbeiter zum Mitunternehmer

Selbstverantwortliches Denken und Handeln, das Treffen betriebswirtschaftlich fundierter Entscheidungen sowie die Bereitschaft, die Konsequenzen für das eigene Tun zu übernehmen, tragen zu einem bedeutenden Wandel der Qualifikationsanforderungen bei. Ganzheitliches und analytisches Denken, Kostenbewusstsein, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Problem­lösungs­vermögen, Kreativität sowie Team- und Kooperationsfähigkeit sind nur einzelne Bausteine der umfangreichen Fach-/Methoden- und Sozialkompetenz, die von einem Mitarbeiter als Mitunternehmer erwartet werden. Aufgabe der innerbetrieblichen Personalentwicklung ist deshalb die Vermittlung der erforderlichen Qualifikationen sowie das Erlernen unternehmerischer Verhaltensweisen. Sie dient als Transmissionsriemen zur Implementierung des unternehmensübergreifenden Veränderungs­prozesses und wirkt als global orientierter Change Agent. Die inhaltliche Ausgestaltung der Schulungsveranstaltungen ist an den Qualifizierungsbedürfnissen der Mitarbeiter zu orientieren und sollte primär selbstgesteuertes Lernen unterstützen. Verantwortungsübernahme für den eigenen Lernprozess ist der erste Schritt zu einem selbstverantwortlich handelnden Mitunternehmer. Eine Koordination der Qualifizierungsmaßnahmen mit der Kapazitätsbelastung der in den Transformationsprozess involvierten Mitarbeiter führt darüber hinaus zu einem Ausgleich von ökonomischen und pädagogischen Interessen.

Partizipative Führung gewährleistet die Existenz von Mitunternehmern

Die Implementierung des Konzeptes vom Mitarbeiter zum Mitunternehmer erfordert eine veränderte Art der Führung. Unternehmerisches Entscheiden und Handeln setzen die dynamische Vereinbarung von Zielen, deren Transparenz sowie die regelmäßige und flächendeckende Veröffentlichung von Zielerreichungsgraden auf allen Ebenen voraus. Selbstverantwortung, Selbstverpflichtung und Risikobereitschaft ersetzen Führung durch Anweisung und Autokratie. Ein partizipativer Führungsstil wird durch die gemeinsame Erarbeitung von Zielvorgaben und eine kooperative Beschlussfassung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter geprägt. Die Maßnahmen zur Durchsetzung der Ziele werden im Team diskutiert und eine gemeinsame Entscheidung über die Vorgehensweise gefällt. Hiermit finden bereits in einem frühen Entscheidungsstadium Wissen und Erfahrungen der Mitarbeiter Berücksichtigung. Die Zielvereinbarung erfolgt in einem Prozess, bei dem die übergeordneten Unternehmensziele bis hin zu Gruppenzielen konkretisiert und mit den Betroffenen vereinbart werden. Eine wesentliche Unterstützung für das eigenverantwortlich von den Mitunternehmern durchzuführende Controlling der Zielerreichung wird mit Hilfe von Visuali­sie­rungs­konzepten erreicht. Eine höhere Transparenz hinsichtlich interner sowie externer Leistungen und Prozesse, die Auslösung von Aktivitäten zur Förderung der Zielerreichung sowie von Maßnahmen zur Unterstützung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sind Ergebniswirkungen einer umfassenden Visualisierung in Segmenten und Teams.

Entlohnung nach Zielvereinbarung fördert unternehmerisches Denken und Handeln

Neben der konsensorientierten Zielfindung setzt die Implementierung des Konzepts vom Mitarbeiter zum Mitunternehmer eine entgeltspezifische Beteiligung der Arbeitnehmer am Bereichserfolg voraus, die sich am individuellen und/oder gruppenbezogenen Risikograd orientiert. Traditionelle Leistungslohnkonzepte wie Akkordlohn oder akkordnahe Lohnformen fördern primär eine Ausrichtung der Mitarbeiteraktivitäten an der Zielgröße Quantität. Die Beeinflussung des unternehmerischen Handelns im Hinblick auf eine positive Beeinflussung der Zielgrößen Qualität, Zeit, Kosten oder Produktivität kann durch die genannten Entgeltformen kaum geleistet werden. Dagegen erhalten die Mitarbeiter bei einer Entlohnung nach Zielvereinbarung zusätzlich zum tariflichen Grundlohn Boni, deren Bemessung unmittelbar auf dem Erfüllungsgrad der vereinbarten und beeinflussbaren Ziele basiert. Eine flexible Anpassung der Unternehmensziele an veränderte Umweltbedingungen muß sich in Konsequenz jedoch auch in einer Modifikation der vereinbarten Ziele niederschlagen, um eine leistungsgerechte Entlohnung der Mitunternehmer, die sowohl am Risiko als auch am Erfolg des Unternehmens partizipieren, sicherzustellen.

Flexible Arbeitszeiten sind Ausdruck unternehmerischer Selbstbestimmtheit

Die Ausweitung von Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen muss auch die zeitliche Autonomie der zukünftigen Mitunternehmer berücksichtigen. Starre Arbeitszeiten, die nur ein begrenztes Reagieren auf Marktveränderungen gestatten, behindern einerseits die Erreichung der Unternehmensziele, andererseits sind sie mit dem gewandelten Bild vom unternehmerisch denkenden und handelnden Mitunternehmer nicht vereinbar. Zeitautonomie und -verantwortung wird den Mitarbeitern, je nach gewähltem flexiblem Arbeitszeitmodell, in Abhängigkeit von der Veränderbarkeit von Lage und/oder Dauer der Arbeitszeit in unterschiedlichem Ausmaß zuteil.

Umfassende Mitarbeiterinvolvierung als Eckpfeiler der Mitunternehmerschaft

Der funktions- und hierarchieübergreifende Einbezug aller Mitarbeiter ist elementare Voraussetzung zur Realisierung einer erfolgreichen Mitunternehmerschaft. Eine Ausgrenzung spezifischer Mitarbeiterkreise führt nicht nur zu einer mangelnden Akzeptanz des innovativen Führungskonzeptes seitens der Beschäftigten, sondern widerspricht gleichfalls dem gewandelten Rollenverständnis der Mitarbeiter. Die Ausweitung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, die verstärkte Übernahme von Verantwortung für den eigenen Aufgabenbereich sowie das Angebot persönlicher Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten stellen Basisanforderungen der Mitarbeiter an ihr berufliches Umfeld dar und sind Ausdruck des gesellschaftlichen Wertewandels. Mitunternehmerschaft muss jedoch dem Anspruchsniveau des zu erfüllenden Aufgabenbereiches entsprechend differenziert und zielgruppenorientiert definiert werden. Der Mitunternehmer im Vertrieb ist vom Mitunternehmer in der Produktion angesichts des unterschiedlichen Kunden- und Zielbezugs sowie der ihm obliegenden Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmensergebnis abzugrenzen. Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung des Konzeptes ist darüber hinaus ein frühzeitiger Einbezug der zukünftigen Mitunternehmer in die Planungs- und Konzeptionierungsphase sowie eine offene Informationspolitik in allen Unternehmensbereichen.

Weiterführende Literatur zum Thema

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