^

Wie bleibt der Standort Deutschland Wettbewerbsfähig?

[15.02.2011]

Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.com
Deutschland Wettbewerbsfähig?" spricht Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann über die Konjunkturkrise, Restrukturierung und Krisen-Management.

 


1. Die Konjunkturkrise ist vorbei: Ist die deutsche Industrie jetzt stärker als zuvor?

Durch die starke Exportorientierung Deutschlands, insbesondere im Bereich der Industriegüter und der damit verbundenen engen Kopplung mit der Weltwirtschaft wurde die deutsche Wirtschaft zwar stark getroffen, erholt sich aber mit anspringender Weltkonjunktur in zunehmendem Maße. Durch staatliche Initiativen und richtige unternehmerische Entscheidungen konnte ein radikaler Kapazitäts- und Personalabbau vermieden werden, was es der deutschen Wirtschaft ermöglicht an der starken Nachfrageentwicklung zu partizipieren. Unternehmen, die aus der Krise nachhaltig gestärkt hervorgehen, haben erkannt, dass die Krise nur durch aktives Krisenmanagement erfolgreich gemeistert werden konnte. Aus den anfangs meist unüberwindbar erscheinenden Herausforderungen ergaben sich dabei häufig erhebliche Chancenpotenziale.

2. Hatte die schwache Auftragslage von Ende 2008 bis Anfang 2010 auch etwas Positives: mehr Zeit für Verschlankung, Restrukturierungen usw.?

Jede Wirtschaftskrise birgt per Definition große Gefahren, ist allerdings gleichzeitig auch Kristallisationspunkt zur Ergreifung und Umsetzung von Chancen des wirtschaftlichen Wachstums. Dies liegt darin begründet, dass Unternehmen aus der Not heraus handeln mussten, was zu kurzfristigen, oft auch unpopulären Entscheidungen, wie den Verzicht auf Weihnachtsgeld, geringe Lohnerhöhungen oder den Abbau von Personal führte. Für Unternehmen galt es, sich auf Effizienz und Effektivität zu konzentrieren, um mit Umsatzeinbrüchen von oft über 40% (z.B. in der Nutzfahrzeugbranche) umgehen zu können. Typische Hemmschwellen wurden hierbei krisenbedingt oft einfacher überwunden, als es zu „normalen“ Zeiten der Fall war. Es fand eine Erneuerung von Innen heraus statt.

3. War das Krisen-Management erfolgreich?

Professionelle Krisenbewältigung zeichnet sich durch ein frühzeitiges Erkennen, zielgerichtetes Handeln, schwerpunktorientiertes Problembeseitigen und nachhaltiges Sichern der erreichten Ergebnisse aus. Gutes Management ist mehr als nur reflexhaftes Sparen. Es dient vor allem der Vorbereitung des Unternehmens auf die nächste Konjunktur- bzw. Aufschwungphase und macht das Unternehmen stärker. Die Krise hat gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Unternehmen veränderten Umfeldbedingungen schnell angepasst, die Liquidität gesichert und Kosten reduzieren haben, ohne das Unternehmen als solches kaputt zu sparen.

4. Welche Rolle spielte das Instrument Kurzarbeit für die Unternehmen, um möglichst rasch wieder aus der Krise zu kommen?

Staatliche Initiativen, wie die Ermöglichung von Kurzarbeit haben negative Auswirkungen der Krise abgemildert. Durch eine „sinnvolle“ Kooperation von Saat und Unternehmen konnte durch dieses Instrument ein umfassender Personalabbau vermieden werden, was mit vielfältigen Vorteilen verbunden ist. So konnte Know-how gesichert, Flexibilität bei Nachfragesteigerungen ermöglicht oder auch die Chance zur Weiterbild der Mitarbeiter intensiv genutzt werden.

5. Worauf kommt es jetzt im Aufschwung vor allem an, damit die deutsche Industrie im weltweiten Wettbewerb vorn bleibt?

Die Steigerung der weltweiten Nachfrage, insbesondere in den Emerging Markets, macht einen Wandel von reaktivem Verhalten der Unternehmen in Krisenzeiten, hin zu proaktivem Wachstum notwendig. Die Kosten wurden angepasst, nun gilt es eine Konzentration auf Umsatz und Wachstum vorzunehmen. Der dadurch bedingte Strukturwandel im Kontext einer Globalen Industrialisierung bedeutet mehr als eine Verlagerung der Aktivitäten in neue Wirtschaftsregionen. Deutsche Unternehmen werden zum Epizentrum einer global verteilten Wertschöpfung und sehen sich mit Chancen und Risiken gleichermaßen konfrontiert. Viele Stimmen sprechen sogar von einer Renaissance Deutschlands als Produktionsstandort. Führungskräfte müssen vor diesem Hintergrund eine differenzierte Betrachtung der Wertschöpfungs- und Standortstruktur vollziehen und abschätzen, welcher strukturelle Wandel sich in den relevanten Wirtschaftsregionen vollziehen wird.

6. Was können die Unternehmen tun?

Die Globalisierungsstrategien wichtiger Unternehmen waren bisher nicht zuletzt von den Wirtschaftsräumen abhängig, in denen sie operierten. Statt einer Fragmentierung und Dezentralisierung der Wertschöpfungsaktivitäten innerhalb der Wirtschaftszweige wurde die Wertschöpfung vielfach branchenabhängig polarisiert. Um Unternehmen ganzheitlich neu auszurichten, muss ein neues Rollenverständnis geschaffen werden. Für deutsche Unternehmen stellt sich die Frage, welche Herausforderungen bei der Wahl des „Global Footprints“ bewältigt werden müssen und wie die Standortstruktur des Unternehmens ausgerichtet werden muss, um die Potenziale der globalisierten Wertschöpfung nutzbar zu machen. Generelle Handlungsoptionen betreffen optimale Kostenstrukturen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Kundenbedürfnissen angepasste Produkte und Services, Innovationen als Chance im globalen Wandel, Flexibilität und bedarfsgerechtes Atmen im Netzwerk sowie die Straffung der Organisation zur Abdeckung regionaler Besonderheiten.

VorherigeNächste