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Neues Projekt „Handlungsspielräume gegen Produktpiraterie“ der TU München

[19.10.2006]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Mehr als 300 Milliarden Euro wirtschaftlicher Schaden entstehen pro Jahr weltweit durch Produktpiraterie. Wer den Wettlauf mit den Produktpiraten aufnimmt, kann nur verlieren. Um die Handlungsspielräume der produzierenden Industrie gegen Produktpiraterie auszuloten hat das Bundesforschungsministerium jetzt unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann und in Kooperation mit mehreren Lehrstühlen der TU München ein neues Forschungsprojekt angeregt, das die "Handlungsspielräume der produzierenden Industrie gegen Produktpiraterie" erfassen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen soll.

Um sich weiterhin erfolgreich am Markt behaupten zu können, ist für deutsche Unternehmen der Schutz vor Produktpiraterie und ungewolltem Know-how-Transfer unerlässlich. Im Rahmen der empirischen Untersuchung zum Forschungsprojekt "Handlungsspielräume der produzierenden Industrie gegen Produktpiraterie" wurde ein Fragebogen eingesetzt, um die aktuelle Situation der Unternehmen zum Thema Produktpiraterie zu hinterfragen und den zukünftigen Forschungsbedarf abzuleiten.

Die Gefahr für die heimische Wirtschaft ist groß. 70.000 Arbeitsplätze gehen in Deutschland jährlich durch Produktpiraterie verloren. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) beziffert den Schaden allein für seine Branche auf 4,5 Mrd. Euro im Jahr. In China wird fast alles, was gefragt ist, von irgendjemand ohne Lizenz kopiert. Bisher versuchen die Geschädigten meist, auf eigene Faust zu ihrem Recht zu kommen. Doch sie stehen machtlos da: Patentschutz und Gesetze greifen in China nicht. Oft steht sogar die Regierung selbst dahinter, wenn - wie im Fall der Magnetschwebebahn Transrapid - fremde Technologie skrupellos nachgeahmt wird.

Die deutsche Exportindustrie und damit tausende mittelständische Unternehmer sind besonders stark betroffen. Sie werden von den Chinesen in die Zange genommen: Entweder, sie gewähren den Technologietransfer, oder es gibt keinen Vertragsabschluss. Das Thema ist längst zum Politikum geworden. Doch selbst eine Bundeskanzlerin kann in zwei Tagen Stippvisite in China an den Fakten nichts ändern. Aber was hilft?

Manche amerikanische Unternehmen spüren die Fabriken der Übeltäter auf und machen die Besten unter den Kopierern zu offiziellen Tochtergesellschaften. Das ist pfiffig, funktioniert aber nur in wenigen Fällen. Andere setzen darauf, den Wettlauf mit den Piraten um die bessere Technologie zu gewinnen. Die Steinpressen des deutsch-italienischen Herstellers Laeis etwa werden in China längst nachgebaut. Die Kopieropfer trösten sich damit, dass die Originalpressen im Vergleich zu den Plagiaten heute mit der Hälfte der Energie auskommen. Doch der Vorsprung wird demnächst aufgeholt sein. Dann muss Laeis ein besseres Produkt anbieten können.

Für den deutschen Mittelstand muss ein Weg gefunden werden, der das Problem vor der Entstehung löst: Maschinen, Dienstleistungen und Ersatzteile müssen so konstruiert sein, dass sie nicht mehr nachgeahmt werden können. Sie brauchen einen eingebauten Kopierschutz, so wie ihn beispielsweise Caterpillar etabliert hat. Der amerikanische Schwerfahrzeughersteller hatte ein Problem mit seinen Getrieben und Antriebsaggregaten - sie waren so gut, dass sie in Asien reihenweise nachgebaut wurden. Mit hohem Einsatz an Computerleistung und Ingenieurskunst gelang es Caterpillar, noch bessere Teile herzustellen, die von Anfang an so konstruiert waren, dass sie nicht mehr so leicht zu kopieren sind.

Von solchen Beispielen kann der deutsche Mittelstand lernen - am besten gemeinsam. Es müssen systematisch alle Methoden und Tricks zusammengetragen werden, die geeignet sind, technisches Gerät so herzustellen, dass es nicht mehr nachgeahmt werden kann. Das komplexe Problem bedarf eines Wettbewerbs der besten Ideen.

Bislang gibt es nur einen Empfehlungskatalog des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) für das China-Geschäft. Hier finden sich gut gemeinte Ratschläge wie der Hinweis, dass man ja nicht jedes Geschäft mitnehmen müsse. Oder, dass Technologien nur für einzelne Projekte oder eine begrenzte Laufzeit transferiert werden sollten. Um zum Kern des Problems vorzustoßen, brauchen wir mehr: eine groß angelegte Anstrengung zur Erforschung kopiersicherer Technik für Konstruktion, Herstellverfahren und verwendete Computertechnologie. Organisatorische Fragen und der Service- und Ersatzteilbereich bieten ebenfalls eine Vielzahl von Ansatzpunkten.

Übergeordnete Bedeutung kommt dabei dem Produkt selbst zu. Denn, wenn es gelingt das Produkt so zu konstruieren, dass der Nachbau entweder unbezahlbar teuer oder einfach unmöglich wird, dann ist der Schutz vor Produktpiraterie wirklich wirksam. Im Fall einfacher Konsumgüter ist ein Schutz meist nur über die Kennzeichnung des Produktes möglich. Bei hochwertigen Maschinen ist dagegen der immanente Schutz die einzig sichere Lösung. Das Reverse-Engineering der Kopierer wird bei mechanischen oder elektronischen Komponenten am besten durch eine Blackbox verhindert. Für eine nachbausichere Entwicklung müssen Schnittstellen und Module von Anfang an unter dem Aspekt der Abschreckung von Produktpiraten konzipiert werden. Hier gilt, dass nur die frühzeitige Aufnahme des Kopierschutzes in den Lastenkatalog Abhilfe schafft. Der nachträgliche Einbau entsprechender Schutzmaßnahmen wird nicht zum Ziel führen.

Bei innovativen Hochtechnologiegütern sind zusätzlich die Prozesse in der Produktentstehungsphase vor unerwünschten Produktpiraten zu schützen. Des Weiteren kann über eine Verkürzung der Intervalle für neue Updates, Adaptionen und Variationen das Tempo des Generationswechsels so schnell gemacht werden, dass Kopierer nicht mehr auf ihre Rechnung kommen.

Es wird insgesamt eine systematische und bis in die Grundlagentechnik reichende Analyse zu erstellen sein. Am Ende stehen mehr oder weniger branchenspezifische Vorschläge für die Entwicklung kopiersicherer Produkte und Verfahren.

Weiterführende Literatur:

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