^

Skaleneffekte im Retail Banking

[24.07.2009]

Foto: yoshitaka / fotolia.com
In zunehmendem Maße erhalten Produktionsmethoden der Industrie Einzug in den Finanzdienstleistungssektor. Insbesondere die Bündelung von Aktivitäten zur Realisierung von Skaleneffekten wurde bei zahlreichen Flächenbanken bisher unzureichend berücksichtigt. Das Outsourcing von Prozessen an einen Finanzdienstleister bietet hierbei die Möglichkeit auf industrialisierte Prozesse zurückzugreifen, ohne umfangreiche Investitionen in die Entwicklung der Organisation zu tätigen.

In einem aktuellen Projekt des TCW werden hierzu die Prozesse eines Finanzdienstleisters untersucht. Dieser bietet Banken die Möglichkeit, die Abwicklung eines Darlehensprozesses zentralisiert über den Dienstleister abwickeln zu lassen. In dem Projekt werden unter anderem die Bearbeitungszeiten der Banken untersucht, die den Fremddarlehensprozess nutzen und solche Kreditinstitute, die selbstständig die Abwicklung des Prozesses vornehmen und die Risiken der Darlehensvergabe tragen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass der Dienstleisterprozess erhebliche Abwicklungsvorteile bietet. Insbesondere in den Back-Office Bereichen können beim Finanzdienstleister umfangreiche Skaleneffekte realisiert werden.

Durch die hohe Anzahl gleichartiger Prozesse konnten Automatisierungsgrade erreicht werden, die sich in vergleichsweise kleinen Kreditinstituten nicht wirtschaftlich implementieren lassen. Insbesondere der Einsatz von automatisierten Prüfsystemen und eine elektronische Datenarchivierung unterstützten die Mitarbeiter in den Back-Office Bereichen. Des Weiteren ermöglicht die hohe Stückzahl eine Ausbildung von prozessvariantenspezifischen Spezialisten. Diese werden wiederum durch ein Front-End in den Kreditinstituten unterstützt, welches bereits bei der Dateneingabe durch Plausibilitätskontrollen und kontinuierliche Verbesserungsmaßnahmen die möglichen Fehlerquellen durch den Berater reduziert.

Prozessuale Nachteile ergeben sich an der Schnittstelle zwischen Finanzdienstleister und Kreditinstitut. Insbesondere der Ausdruck der physischen Formulare und Versand an den Finanzdienstleister führt zu prozessualen Doppelarbeiten. Im Rahmen des Projektes konnten zahlreiche Handlungsfelder identifiziert werden, wie eine erhebliche Reduzierung der Friktionen an der Schnittstelle realisiert werden können. Auf der technischen Ebene wurde eine Nutzung moderner Datenübertragungssysteme angeregt, die den Verzicht auf den postalischen Versand der Unterlagen ermöglicht. Gleichzeitig können hierdurch weitere Plausibilitätskontrollen implementiert werden, die wesentliche Fehlerquellen reduzieren. Auf prozessualer Ebene wurde des Weiteren herausgestellt, dass kein ausreichendes Prozesscontrolling besteht, um eine nachhaltige schnittstellenbedingte Reduzierung der Fehlerquote zu ermöglichen. Durch eine Aufbereitung und Auswertung der Fehlerquoten, hinterlegt mit einem Anreizsystem sollen sowohl mitarbeiterbezogene Fehler reduziert werden, als auch Maßnahmen identifiziert werden, die eine nachhaltige Optimierung des Prozesses ermöglichen. Die dritte Handlungsempfehlung beinhaltet den Aufbau eines Wissensmanagements, das den Kunden die Möglichkeit bietet Verbesserungsvorschläge aufzunehmen. Eine strukturierte Auswertung der Anregungen über standardisierte Eingabemasken ermöglicht die Priorisierung der dringlichsten Handlungsfelder. Vorgeschlagen wurde hierbei ein Key-User Konzept wodurch insbesondere die Wissensträger in der Prozessabwicklung in den Optimierungsprozess einbezogen werden. Gleichzeitig kann hierdurch die Qualität der eingehenden Verbesserungsvorschläge sichergestellt werden und der Informationsumfang begrenzt werden.


Für die Kreditinstitute ergibt sich somit der Vorteil, dass erhebliche prozessuale Potenziale durch die Nutzung der Fremdapplikation zeitnah und ohne großen Ressourcenaufwand realisiert werden können. Eine Optimierung der eigenen Prozesse würde im Gegensatz hierzu einen Ressourceneinsatz für die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen beinhalten.

Neben der Prozesskostenbetrachtung gilt es jedoch in jedem Kreditinstitut die geschäftspolitische Entscheidung zu treffen, ob eine Vergabe des Darlehensprozesses an einen Dienstleister erfolgt.

Referenzen

Weiterführende Literatur

VorherigeNächste