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Produkt-Servicebündel entwickeln und managen

[18.08.2008]

Foto: coramax / fotolia.com

Eine Vielzahl der Industrieunternehmen sieht sich gegenwärtig mit immer härter werdenden Konkurrenz- und Wettbewerbsbedingungen konfrontiert. Die Globalisierung der Märkte und die sich immer stärker angleichenden Produkte auf der einen sowie eine wachsende Markttransparenz als Folge des hohen Produktwissens vor allem jüngerer Zielgruppen auf der anderen Seite führen zu einem Anstieg der Homogenität des Wettbewerbs. Die damit verbundene, vom Kunden wahrgenommene Austauschbarkeit der angebotenen Produkte stellt eine zentrale Herausforderung für die Profilierung der Unternehmen dar. Der Angleichung ihrer Leistungsprogramme versuchen viele Unternehmen dadurch zu begegnen, dass sie sich gegenüber Wettbewerbern durch neue innovative Serviceleistungen differenzieren. Durch das Hinzufügen von Serviceleistungen können die angebotenen Produkte individualisiert und mit einem Alleinstellungsmerkmal versehen werden. Ein Leistungsbündel aus Produkt und Service eröffnet für die Unternehmen dabei nicht nur Wachstumschancen, sondern ermöglicht auch eine stärkere Kundenbindung.

Um als Unternehmen erfolgreich am Markt zu sein, reichen Strategien der Kostenführerschaft, überdurchschnittliche Leistungen der Produkte und intelligente Vermarktung allein nicht mehr aus. In diesen Kategorien bewegen sich die Unternehmen immer wieder aufeinander zu. In zahlreichen Fällen stoßen zudem die Produkte selbst an Grenzen weiterer technischer Verbesserungen. Auswege aus diesem Dilemma lassen sich durch neuartige Quellen der Differenzierung finden. Einen zentralen Ansatzpunkt hierzu bietet die Ergänzung der Produkte um ein kundenorientiertes Serviceangebot.

Grundsätzlich ist dabei zwischen Serviceleistungen, die den Absatzerfolg von Produkten erhöhen, sowie Serviceleistungen, die ein selbstständiges Produkt darstellen, zu unterschieden. Neben dem Kernprodukt und einem selbstverständlichen Basisservice bietet erst ein am Kernprodukt ausgerichteter Zusatzservice, welcher dem Kunden ein von ihm noch nicht wahrgenommenes Problem und dessen Lösung aufzeigt, die Möglichkeit einer erfolgreichen Leistungsergänzung. Neben den produktbegleitenden oder ergänzenden Serviceleistungen gewinnen aber auch die Serviceumfänge der Vor- oder Nachkaufphase an Bedeutung. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt auch die Unterstützung durch den Service bei der Markteinführung eines neuen Produkts. Anfänglich auftretende Probleme können durch ein effizientes Dienstleistungsangebot aufgefangen und Abwanderungstendenzen in Kundenzufriedenheit umgewandelt werden.

Werden solche Serviceleistungen mit Produktideen zu einem kompletten Angebot kombiniert, so entstehen komplexe Leistungsprogramme, die durch gezielte Problemlösungsorientierung den Erwartungen der Kunden entsprechen oder einen Schritt voraus sind. Da derartige Leistungsbündel aus Produkt und Service über einen längeren Zeitraum hinweg zu entwickeln und aufzubauen sind, können sie von den Konkurrenten kurzfristig nur schwer imitiert werden. Daraus resultieren nachhaltige Wettbewerbsvorteile für den "Problemlöser". Hinzu kommen ein profitables Wachstum im Servicebereich und eine mögliche Renditesteigerung im Produktgeschäft durch neue Spielräume bei der Preisgestaltung.

Die zunehmende Bedeutung von Serviceleistungen resultiert allerdings nicht nur aus dem zusätzlichen Angebot zu Differenzierungszwecken. Viele Unternehmen konzentrieren sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft und fragen bisherige Eigenleistungen als zusätzliche Dienstleistungen zu Produkten extern nach. Anbieter, die diesen Bedarf nicht oder nur unzureichend erfüllen können, verlieren an Attraktivität und somit auch Marktanteile.

Einen weiteren wesentlichen Aspekt von Servicestrategien stellt die langfristig erfolgreiche Kundenbindung dar. Der Kunde muss über den Kauf des Produkts hinaus bis zum Zeitpunkt notwendiger Ersatzkäufe an das Unternehmen gebunden werden. Serviceleistungen bieten die Möglichkeit, über den gesamten Zeitraum der Produktnutzung regelmäßig Kontakt zum Kunden zu halten. Über diesen Kontakt können Veränderungen der Kundenanforderungen frühzeitig abgeschätzt sowie notwendige Ersatzkäufe aufgrund von Verbrauch oder Verschleiß vorausgesehen werden. Dieser Informationsvorsprung stellt einen Zeitvorsprung gegenüber den Wettbewerbern dar, der ebenfalls nur mit hohem Aufwand aufzuholen ist.

Voraussetzung einer auf dieser Basis realisierbaren Verbesserung der Wettbewerbssituation ist die gezielte Planung, Erstellung und Vermarktung der Zusatzleistungen nach betriebswirtschaftlichen Kalkülen. Gerade hier weisen Unternehmen häufig Defizite auf, weil das gezielte Angebot von kombinierenden Leistungsprogrammen bisher nicht oder nur bedingt zum Kerngeschäft gehört und entsprechende Managementerfahrungen fehlen.

Neben der organisatorischen Ausgestaltung von Servicekonzepten ist deshalb eine vorausschauende produkttechnische Berücksichtigung erforderlich. Reparatur- und Ersatzteilkonzepte, deren Planung auf vorhandenen Produkten oder bestehenden Konstruktionen aufsetzt, sind dazu nicht ausreichend. Überlegungen zu Servicestrategien müssen simultan zur Produktdefinition bereits in die F&E-Konzeption einfließen und im Rahmen einer nachhaltigen Wertgestaltung in profitablen Serviceleistungen konkretisiert werden. Im Sinne eines "Design to Service" ist das Konzept der Orientierung am Kundennutzen um die Dimension Service zu erweitern. Entwickler und Konstrukteure werden für die Bedeutung des Service über Vor-Ort-Besuche bei Kundenproblemen sensibilisiert. Bei der Bewertung von Konstruktionsalternativen werden neben Kostengrößen des Neuprodukts servicespezifische Kennzahlen eingesetzt. Alternative Lösungen sind auch bezüglich ihrer Konsequenzen für den Service zu bewerten. Die Entwicklung von Produkten ohne Ausfälle bei einer quasi unendlichen Lebensdauer ist dabei nicht das Ziel. Der gezielt vorbeugende und mit geringem Aufwand realisierbare Austausch von Modulen oder Baugruppen kann bewusst eingeplant und einer Reparatur von Einzelteilen vorgezogen werden.

Über die servicegerechte Produktgestaltung wird das Fundament für ein servicefreundliches Produkt gelegt. Servicefreundlich bedeutet einfach und kostengünstig, aber notwendig für den Kunden. Hierzu bieten sich Plattformstrategien auf Basis einer Just-in-Time-Philosophie von Produkt und Service an: Das richtige Produkt und überlegener Service zum richtigen Zeitpunkt für den Kunden. Dies lässt sich bei der Individualität der Kundenansprüche erst durch eine Plattformstrategie für Produkt und Service realisieren, bei der aufbauend auf einer standardisierten Basis kundenspezifische Module die Leistungsdifferenzierung des Produkts bestimmen. Der Beitrag dieser Strategie zur Komplexitätsbeherrschung in den Leistungserstellungsprozessen ist gewaltig.

Die strategische Ausgestaltung von Leistungsprogrammen erfordert ein großes Maß an Kreativität und Beharrlichkeit. Dies bedingt eine Schwerpunktverlagerung im Entwicklungsprozess und die Nutzung von Kreativitätspotenzialen auch der Zulieferanten. Bereits am Anfang der Produktentstehung sorgen Konzeptwettbewerbe für die richtige Produktdefinition mit einer Kombination aus Produkt und Service. Im Gegensatz zu konventionellen Produktwettbewerben sind hierbei zusätzlich zu den Zulieferanten für Produktkomponenten auch Serviceanbieter in den Konzeptwettbewerb einzubeziehen.

Obwohl die Erfolgsmuster bekannt sind, fällt es den Unternehmen häufig schwer, im Alleingang die notwendigen Strategien umzusetzen. Dabei sind leistungsstarke Organisationsstrukturen, die konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind, entscheidend. Erfolgreiche Unternehmen haben erkannt, dass in einer dynamischen Umwelt das unternehmensübergreifende Agieren in Netzwerkstrukturen und somit die Erhöhung der Flexibilität zu einem prägenden Erfolgsmerkmal wird. Deshalb schließen sich erfolgreiche Unternehmen immer häufiger in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zusammen, um in einem gemeinsamen Angebot innovative Leistungsbündel anbieten zu können.

Zum Angebot von qualitativ hochwertigen Leistungsprogrammen muss vor dem Hintergrund der zunehmenden weltweiten Vermarktung von Leistungsprogrammen allerdings auch der Schutz des Wissens vor ungewolltem Know-how-Transfer eine herausragende Bedeutung einnehmen. Neben dem weit verbreiteten Ansatz, Produktpiraten mit juristischen Mitteln zu bekämpfen, setzten erfolgreiche Unternehmen auf langfristig angelegte Strategien, um Wissensabfluss zu vermeiden, Produktpiraterie frühzeitig zu erkennen und das Reverse-Engineering der eigenen Produkte zu erschweren.

Ausschlaggebend für den Erfolg der Leistungsprogramme eines Unternehmens ist eine lebenszyklusorientierte Betrachtung. Erfolgreiche Unternehmen schnüren Leistungspakete aus Produkten und Serviceleistungen die auf die individuelle Bedürfnisbefriedigung der Kundenwünsche über den gesamten Lebenszyklus abzielen. Durch diese Problemlösungskultur wird die Kundenbindung deutlich erhöht, während intern effiziente Methoden und Konzepte für die profitable Realisierung und Beweglichkeit des Unternehmens sorgen.

Weiterführende Literatur:

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