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Abwehr von Mehrpreisforderungen im Einkauf

[01.10.2009]

Foto: sveta / fotolia.com

Ausgangssituation

Die wirtschaftliche Situation führte zu einem signifikanten Nachfrageeinbruch insbesondere in der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie. Dadurch entstehen negative Skaleneffekte: Bei sinkenden Stückzahlen nimmt der Fixkostenanteil eines Unternehmens prozentual an den Herstellkosten zu und erhöht diese somit. Im betrachteten Unternehmen ging der Absatz im laufenden Jahr um 60% gegenüber dem Vorjahr zurück. Eine wichtige Komponente des Endprodukts wird dabei von einem Zulieferer bezogen, der mit der erhöhten Fixkostenumlage in die Verlustzone für diese Komponente kam. Entsprechend forderte dieser Zulieferer eine Preiserhöhung um 15%. Das Projektziel war die Abwehr dieser Mehrpreisforderung.

Vorgehensweise

Für eine zielorientierte Vorgehensweise empfahl sich eine Einteilung in drei Module. Im ersten Modul wurden die vom Zulieferer gemachten Angaben auf Plausibilität überprüft. Dem folgte eine detaillierte Analyse der Kostenstrukturen, der Einflussfaktoren und eine Kostenberechnung auf Basis der verifizierten Eingangsdaten. Aus diesen Erkenntnissen heraus wurden im dritten Modul Ansatzpunkte zur Abwehr der Mehrpreisforderungen erarbeitet, ausformuliert und bewertet. Hierzu zählte ebenfalls die Entwicklung einer Verhandlungsstrategie mit Verhandlungszielen, Argumentationsketten und Rollenverteilung der Teilnehmer.

Im Rahmen eines Audits am Standort des Zulieferers erfolgte die Plausibilitätsprüfung der Mehrpreisforderung. Das Audit umfasste Workshops und Interviews sowie eine Werksbesichtigung, um Daten und Informationen zu erfassen und zu diskutieren. Die Kostenbestandteile, die zu den Fixkosten zählen, wie beispielsweise Löhne und Gehälter, Abschreibungen für Maschinen und Anlagen, Abgaben an die Muttergesellschaft oder Aufwand für F & E und Sales & Service Support wurden für die letzten zwei Jahre und das laufende Jahr erfasst und Veränderungen begründet. Die unternommenen Kostensenkungsmaßnahmen wurden kritisch beurteilt und ihre Auswirkung auf die Mehrpreisforderung bewertet. Ebenfalls erfasst und diskutiert wurden die aktuelle Wertschöpfungstiefe, die zukünftige Make-or-Buy-Strategie, die Investitionen im vergangenen und laufenden Jahr sowie die Planung für das Folgejahr. Da es sich bei dem Zulieferer um ein Unternehmen in Großbritannien handelt und die Zahlung durch den Abnehmer in Euro erfolgt, wurden außerdem die Hedging-Verträge des Zulieferers eingesehen, um daraus entstehende Gewinne oder Verluste zu ermitteln und zu diskutieren. Neben der Fixkostenanalyse wurden auch die variablen Kostenbestandteile am Standort des Zulieferers erfasst. Die hieraus abzuleitenden Auswirkungen auf die Herstellkosten sollten in der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden, um Argumentationen für eine Preiserhöhung respektive ihrer Abwehr auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Da der Einkaufspreis für Bauteile bei Unterlieferanten in erheblichem Umfang zu den gesamten Herstellkosten beiträgt, zählte die Analyse der Materialkostenstruktur zum Untersuchungsbereich der Tier2-Lieferanten. Ihre Struktur und ihre Standortfaktoren wurden geclustert und Verschiebungen im Betrachtungszeitraum erfasst.

Aufbauend auf den zahlreichen Informationen und Daten, die durch das Audit erarbeitet wurden, erfolgte eine Kostenberechnung, um nachzuweisen, ob alle Argumente des Zulieferers für eine Mehrpreisforderung greifen oder ob es Ansatzpunkte für eine Gegenargumentation gibt. Insbesondere wurden dabei die Skaleneffekte reproduziert und die Breakeven-Stückzahlen für verschiedene Szenarien einer Preisanpassung ermittelt. Neben den rein auf Fakten basierenden Ansatzpunkten zur Abwehr der Mehrpreisforderung wurden strategische Argumentationen entwickelt. Die Verknüpfung rationaler mit taktischen Argumenten dient dem maximalen Verhandlungserfolg.

Ergebnisse

Das durch einen Dritten durchgeführte Audit bewirkte bei den Verhandlungspartnern ein Gefühl der Sicherheit über die verwendeten Daten und den daraus abgeleiteten Argumenten. Dies hatte zur Folge, dass die Preisverhandlung nicht emotional, sondern rational erfolgte. Eine Vielzahl an Argumenten des Zulieferers waren — so ergab es das Audit — in der Tat gerechtfertigt. Die nicht in vollem Maße zutreffenden Informationen und die daraus abgeleiteten Argumente des Abnehmers führten dazu, dass die Mehrpreisforderung des Zulieferers auf ein Drittel reduziert wurde.

 

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