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Die Finanzdienstleistungsbranche setzt auf IT-Betreibermodelle

[02.04.2003]

Foto: coramax / fotolia.com
Viele Unternehmen können ihre IT-Kosten nicht verursachungsgerecht nachweisen. Insbesondere die Finanzdienstleister sind abhängig von einer ausfallsicheren IT, obwohl die IT-Landschaft keinen direkten Bezug zum Unternehmenserfolg darstellt. Dies zeigt, dass das Einkaufen von IT-Leistungen von einem IT-Dienstleister zielführend wäre, wobei die Abhängigkeit von einem solchen Servicegeber nicht zu unterschätzen ist.

Die Marktsituation hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Eine immer weiter fortschreitende Globalisierung, aggressive neue Marktteilnehmer, steigende Kundenansprüche, die nicht selten eine 24-stündige Erreichbarkeit 7 Tage die Woche fordern, und neue gesetzliche Anforderungen, wie z.B. Basel II und Euroeinführung haben zu einer Erosion der Margen und steigendem Kostendruck geführt. Es ist keine neue Erkenntnis, dass gerade in der IT-Branche die Produktlebenszyklen sehr kurz sind. Somit findet sich in den Unternehmen häufig eine veraltete Infrastruktur oder Alt-Applikationen, die nicht mehr gebraucht, oft auch nicht mehr verstanden werden. Zusätzlich sind viele individuelle Programme als Insellösungen erstellt worden, die ursächlich für eine Vielzahl von Schnittstellenproblemen verantwortlich sind. Bei Zusammenschlüssen oder Partnerschaften verhindert dies, die gewünschten Synergieeffekte zu realisieren.

Um dem rasanten Wechsel in der IT-Branche Stand halten zu können, sind die Mitarbeiter gefordert, sich meist autodidaktisch fortzubilden. Da das Einhalten des Status Quo speziell dieses Industriezweigs selten durchführbar ist, lässt der Ruf nach Spezialisten nicht lange auf sich warten oder es wird eine Auslagerung der IT an Dritte erwogen. Speziell die IT-Dienstleister können daher trotz des Zusammenbruchs der New Economy mit steigenden Auftragseingängen rechnen.

Durch den Übergang, der meist bestehenden IT-Insellösungen zu einem IT-Betreibermodell, wird eine umfassende Komplexitätsreduzierung und somit eine Konzentration auf das Kerngeschäft angestrebt. Dadurch sollen eine überschaubare schlanke Organisation, eine Schnitt­stellen­reduktion, eine Effizienzsteigerung und eine Minimierung der Durchlaufzeiten erreicht werden.

Aus dem IT-Betreibermodell soll vor allem eine signifikante Kostenreduktion resultieren, die in der Regel bei mindestens 20% liegt. Dies wird zum einen als Ergebnis der Reduktion von IT-spezifischen Investitionen und zum anderen aus dem Wandel von fixen in variable Kosten erwartet. Für letzteres ist eine verursachungsgerechte Kostenkalkulation des Betreibers notwendig. Zusätzlich soll ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess im IT-Bereich gewährleistet sein. Durch die Einbindung des Spezialisten erfolgt ein Zugang zu innovativen IT-Technologien und IT-spezifischem Know-how.

Für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen IT-Dienstleister und dem Finanzdienstleister ist es notwendig, dass der Servicegeber sowohl über Kompetenzen im Finanzdienstleistungssektor verfügt, als auch eine ausreichende finanzielle Stärke aufweist.

Mit einem IT - Betreibermodell steigt prinzipiell das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Servicenehmer und Servicegeber, insbesondere durch die hohen Reintegrationskosten einer ausgelagerten IT-Infrastruktur. Daher sollte eine vollständige Auslagerung unter gleichmäßiger Verteilung des kompletten Kundenstammes an zwei Betreiber im Sinne eines dual Sourcing erfolgen. Die Automobilindustrie liefert dafür zahlreiche Beispiele. Zudem ist durch die Auftragsstreuung auf zwei Betreiber eine Wettbewerbssituation geschaffen, die neben der Risikominimierung weitere Kosten- und Qualitätsvorteile für den Servicenehmer beinhaltet. Die Empfehlung den gesamten Aufgabenkomplex an beide Betreiber zu übergeben, ermöglicht dennoch eine prozessübergreifende Optimierung der IT.

Bevor jedoch eine Zwei-Lieferanten-Strategie bei IT-Betreibermodellen zum Einsatz kommen kann, sind folgende Aspekte zu prüfen:

  • Wie sieht die technische Machbarkeit bei der Vergabe des gesamten Wertschöpfungsprozesses an zwei parallel agierende Anbieter aus?
  • Das Frontend, d.h. die IT-Schnittstelle zwischen Endkunden und Finanzdienstleister muss aus einer Hand generiert werden. Wer übernimmt diese Aufgabe? Wird dies der Finanzdienstleister selbst übernehmen oder einer der Betreiber?
  • Bei der Schnittstellengestaltung für die Transferierbarkeit der Daten müssen die beiden Betreiber an einen Tisch geholt werden und eine hohe Standardisierung der Schnittstellen ist notwendig.
  • Gleicht der durch die Streuung des Auftrags generierte Wettbewerb die Minderung der Skaleneffekte eines einzelnen Anbieters im Hinblick auf die Kostenersparnisse aus?

Zusätzlich sollte in vereinbarten Intervallen eine neue prozentuale Kundenvergabe erfolgen, abhängig von der jeweiligen Dienstleistungsperformance der Servicegeber. Dies dient neben der Auftragsstreuung dem Aufrechterhalten des Wettbewerbs.

Um das Ziel einer Minimierung der IT-Ausgaben bei schlechter wirtschaftlicher Lage zu verwirklichen, sollte auf eine kombinierte Entgeltregelung geachtet werden. Diese besteht zum einen aus einer geschäftsvorfallabhängigen Grundvergütung, die zusätzlich durch eine vertraglich festgelegte Kostendegression erweitert wird. Dabei liegt die Grundvergütung unterhalb der tatsächlich anfallenden Kosten. Voraussetzung hierfür ist eine -wie in der Automobilindustrie übliche- gläserne Kostenkalkulation. Zum anderen wird eine Gewinn- und Verlustbeteiligung (z.B. gemessen am Asset under Management) integriert. Die Gewinnbeteiligung dient als Anreiz für den Betreiber, bei der er höhere Margen als bei den bisher üblichen Verträgen verdienen kann. Die Kostendegression wirkt als Anreiz zur Performancesteigerung der Prozesse des Betreibers. Gleichzeitig kann der Servicenehmer an den Kostenvorteilen des Betreibers durch Technologiesprünge partizipieren.

Die Empfehlung einer Zwei-Lieferanten-Strategie in Verbindung mit der dargestellten Entgeltregelung erfordert langfristig angelegte Verträge. Dabei sollten die Verträge sowohl eine jährliche Kündigungs- als auch Erweiterungsoptionen beinhalten. Des weiteren sollte der Servicenehmer jährlich die Möglichkeit haben, den Kundenstamm der Betreiber zu verändern, abhängig von deren Performance. Da die Verträge im Grundsatz langfristiger Natur sind und es sich um einen großen Kompetenzübergang handelt, kann eine echte partnerschaftliche Zusammenarbeit entstehen.

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