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Produktionsgerechte Produktgestaltung in der Aggregatentwicklung in der Automobilindustrie

[06.09.2005]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Die weitere Erhöhung der Effizienz in der Produktion durch komplexere Fertigungs- und Montageschritte stößt immer häufiger an Grenzen. Die Erhöhung des Automatisierungsgrads wird vielfach mit einem Verlust an Flexibilität erkauft. Zusätzlich steigt das Risiko von Prozessstörungen bei komplexen Produktionsschritten. Die Investitionssummen für vollständig automatisierte Abläufe liegen deutlich oberhalb teilautomatisierter Prozesse. Eine Lösung des Problems liegt in der frühen Entwicklungsphase des herzustellenden Produktes. Trotz geringen Konkretisierungsgrades der technischen Lösung muss die Produktion ihren Anforderungskatalog an eine produktionsgerechte Produktgestaltung in dieser Phase möglichst detailliert an die Entwicklung adressieren. Andernfalls kann die Chance auf eine signifikante Verbesserung der Effizienz kaum noch für das aktuelle Projekt genutzt werden.

Liegt ein Produkt erst einmal als Prototyp vor, tun sich zwar die Produktionsplaner leicht, die Schwachstellen aus Fertigungs- und Montagesicht aufzuzeigen. Aber der zum Regelfall gewordene Zeit-, Kosten- und Qualitätsdruck in einem Entwicklungsprojekt erlaubt zu diesem Zeitpunkt vielfach keine umfassenden Korrekturschleifen mehr am Produkt. Die Zielgröße Produktionseffizienz konkurriert mit Kosten-, Gewichts- und Qualitätszielen sowie Restriktionen aufgrund von Gleichteile- und Carry-over-Part-Vorgaben.

Bislang erfolgt die Berücksichtigung von Produktionsanforderungen in der Entwicklung häufig unsystematisch, unvollständig und vor allem zu spät. Der Grund dafür liegt in dem geringen Konkretisierungsgrad des technischen Konzepts und nicht zuletzt in dem entwicklungsseitigen Anspruch, "vorzeigbare" und damit vollständige technische Lösungen zu präsentieren. Auf der anderen Seite sind allgemeine Gestaltungshinweise, wie z.B. "einfache Dichtgeometrien verwenden" oder "Zugänglichkeit mit Automatikschraubern ermöglichen" für einen Entwickler häufig zu pauschal. Vielfach sieht er sich mit widersprechenden Anforderungen konfrontiert, deren Prioritäten bei der Umsetzung unklar sind.

Aufgrund fehlender Informationen z.B. über Bauteile, Dichtungen, Verbindungs- und Befestigungselemente, wird mit der Produktionsplanung häufig erst später begonnen. Ist weder die Montagereihenfolge noch die Eintaktung (Zuordnung der Montageinhalte zu bestimmten Takten) bekannt, können keine verrichtungsbezogenen Ziele, wie z.B. die Zeit für einen bestimmten Fügevorgang, vorgegeben werden. Eine gezielte Optimierung einzelner Bauteile oder Baugruppen in der frühen Phase ist somit nur schwer möglich.

Die Lösung des Dilemmas liegt in der bereichsübergreifenden Diskussion der Bauteilgestaltung bereits in einem frühen Stadium der Produktentstehung. Im Rahmen von Digital-Mock-up(DMU)-Workshops kann das aktuelle technische Konzept durch die Entwickler vorgestellt und mit Mitarbeitern aus den Bereichen Produktionsplanung, Produktion, aber auch aus dem Kundendienst/ After Sales sowie dem Qualitätswesen diskutiert werden. Diese Vorgehensweise setzt allerdings bei den Beteiligten die Bereitschaft voraus, reaktives Handeln durch präventive Maßnahmen zu ersetzen. Konkret bedeutet das, Verbesserungen nicht erst am physisch vorliegenden Prototypen zu diskutieren, sondern bereits mit verfügbaren CAD-Daten und DMU-Simulationen zu arbeiten.Die Vorteile der bereichsübergreifenden Workshops am virtuellen Objekt liegen in einem deutlichen Zeitvorteil sowie der Reduzierung der entwicklungs- und planungsseitigen Korrektur- und Anpassungsschleifen. Die Entwicklung bekommt darüber hinaus mehr Verständnis für die Anforderungen von Seiten Produktion und After Sales. In einem konkreten Projekt konnten über die beschriebene Vorgehensweise die Montageplanzeiten um über 20% reduziert werden. Weitere Effekte bestanden in der Verringerung der Anzahl an Änderungsschleifen sowie der Aufwandsreduzierung sowohl im Entwicklungs- als auch im Produktionsplanungsbereich. Die Workshops zur produktionsgerechten Produktgestaltung wurden als feste Bestandteile im Projektmasterplan verankert und in definierten Abständen wiederholt.

Weiterführende Literatur zu dem Themengebiet

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