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Reduzierung der Lieferantenanzahl im Maschinen- und Anlagenbau

[09.06.2010]

Foto: sveta / fotolia.com

Die Notwendigkeit, stetig neue Produkte auf dem Markt anzubieten, resultiert in immer kürzeren Produktlebenszyklen. Gleichzeitig treten ständig neue Spieler und Lieferanten am Markt auf. Die Anzahl der im Einkauf zu managenden Prozesse mit Geschäftspartnern und Lieferanten hat in fast allen Branchen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Konkret bedeutete dies für den Facheinkäufer, dass eine stetig steigende Anzahl von Geschäftsprozessen mit Lieferanten abzubilden ist. Ein aktives Managen aller Lieferbeziehungen ist häufig nicht mehr möglich. Selbst eine Konzentration im täglichen Geschäft auf die strategischen Lieferanten wird immer schwieriger. Die Komplexität aus der zunehmend breiteren Lieferantenbasis setzt sich in vielen Kernbereichen des Unternehmens, wie z.B. Entwicklung, Qualität, Logistik, IT und Finanzen, fort.

Ausgangssituation

Somit ist die Einkaufsorganisation gefordert, das immer komplexer werdende Beziehungsgeflecht zu managen oder die Anzahl der Lieferanten zu limitieren. Zielsetzung eines Projektes bei einem deutschen Maschinen und Anlagenbauer mit einem Beschaffungsvolumen über einer Mrd. Euro war es daher, die Anzahl der Produktions- und Nichtproduktionsmaterial-Lieferanten zu reduzieren. Dadurch konnten im Ergebnis Prozesskosten gespart und Bündelungseffekte realisiert werden ohne dadurch zukünftige Kostenpotenziale durch eine wirksame Konkurrenzierung der Lieferanten in den verschiedenen Materialgruppen zu gefährden.

Das Konzept

Das Vorgehen im Projekt gliederte sich in sechs Schritte. Zunächst wurde gemeinsam mit dem Kunden ein Projektleitfaden erarbeit, in dem die Ziele des Projektes, der zu betrachtende Untersuchungsgegenstand sowie die Projektorganisation festgehalten wurden. Diese Ausarbeitung stützte sich auf die Sichtung und Bewertung von Vorarbeiten und die Auswertung der Einkaufstransaktionen. Aufbauend auf den Ergebnissen des ersten Moduls wurden wir mit Hilfe Einkaufspotenzialanalyse Ansatzpunkte für die Reduzierung der Lieferantenanzahl in priorisierten Materialgruppen erarbeiten. Diese Portfoliotechnik ermöglicht eine sehr übersichtliche Abbildung der Lieferantensituation in den unterschiedlichen Materialgruppen.

Die Portfoliotechnik dient als Grundlage einer nach Materialgruppen differenzierten Ableitung von Ansatzpunkten zur Optimierung der Lieferantenbasis. Aufgrund der Vielzahl durchgeführter Portfolioanalysen ist das TCW in der Lage, auf Basis des Gesamtportfolios Muster bei den Positionierungen zu erkennen. Zusammen mit definierten Normstrategien können Auffälligkeiten in Portfolios aufgezeigt und Handlungsfelder bestimmt werden. Aufbauend auf den durchgeführten Analysen werden Teilprojekte erarbeitet und cross-funktional zu besetzende Materialgruppen-Workshops geplant und vorbereitet. Typische Teilprojekte können hierbei sein:

  • Bündelung von Einkaufsvolumina
  • Formulierung von Modul- und Plattformstrategien
  • Definition von Vorzugslieferanten
  • Aufbau kaskadierender Zulieferstrukturen und Übertragung der Steuerung von tier 2 und 3 Lieferanten an die tier 1 Lieferanten
  • Durchführung von Lieferanten-Workshops
  • Initiierung einer gezielten Beschaffungsmarktforschung

Bei der Ableitung von Optimierungsansätzen wurden folgende Punkte berücksichtigt:

  • die zukünftige Bedarfsentwicklung,
  • die durch unterschiedliche Lieferanten verursachten Prozess-, Qualitäts- und Komplexitätskosten,
  • Überlegungen zur Optimierung Ihres Global-Footprints und
  • den Supplier-Lifetime-Value der mit unterschiedlichen Lieferanten verbunden ist.

Als Ergebnis lieferte dieses Arbeitspaket Ansatzpunkte zur Optimierung der Lieferantenbasis. Dies beinhaltet eine erste Abschätzung der zu realisierenden Potenziale sowie eine grobe Vorgehensweise.

Damit die Potenziale der Reduzierung der Lieferantenanzahl voll zur Wirkung kommen konnten, wurden die Prozesse zwischen den verbleibenden Lieferanten und der Beschaffung, aber auch mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen, angepasst. So wurden Ausschreibungs- und Dispositionsverfahren auf gebündelte Bedarfe adaptiert, um damit die Anzahl der notwendigen Lieferantenkontakte zu minimieren. Der gestiegenen Nachfragemacht durch höhere Beschaffungsvolumina bei einzelnen Lieferanten wurde Rechnung getragen, indem für den Abnehmer größere Freiräume in den Verträgen verhandelt werden konnten.

Die durch die Reduzierung der Lieferantenanzahl frei gewordenen Kapazitäten der Einkäufer können heute gezielt für die Verbesserung des Lieferantenmanagements eingesetzt werden. Dies beinhaltet das Beziehungsmanagement, die rückgekoppelte Lieferantenbewertung sowie die Lieferantenentwicklung hinsichtlich der zukünftigen Anforderungen an Beschaffungsobjekte.

Ansatzpunkte zur Realisierung der oben beschriebenen Potenziale wurden im Rahmen von cross-funktionalen Workshops erarbeitet. Beispiele dafür sind:

  • die Sperrung von Lieferanten, die eine definierte Wertgrenze in den vergangenen 12 Monaten nicht überschritten haben,
  • die Sperrung von Lieferanten, die in den letzten 12 Monaten keinen Auftrag erhalten haben,
  • die Aufnahme neuer Lieferanten nur mit der Zustimmung der Abteilungsleitung oder
  • die Aufnahme eines neuen Lieferanten nur nach Sperrung eines anderen Lieferanten in dieser Materialgruppe.

Im Modul vier wurden die Ansatzpunkte aus der Einkaufspotenzialanalyse und der Prozess- und Kostenanalyse detailliert und in Form von konkreten Maßnahmen ausgearbeitet. Im Rahmen von cross-funktionalen Workshops wurden material-gruppenspezifische Abnehmer-Lieferantenstrategien zur Optimierung des Lieferantenportfolios erarbeitet. Die konkretisierten und priorisierten Maßnahmen wurden in Form eines Programms für den Einkauf aufgeplant. Dieses Programm für den Einkauf enthält nach Materialgruppen strukturierte Migrationskonzepte um die Lieferantenstrukturen vom Ist ins Soll zu überführen.

Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:

  • zukünftige Bedarfsstruktur,
  • die Restlaufzeit der jeweiligen Produkte,
  • Vorgaben hinsichtlich der Soll-Lieferantenstruktur,
  • planerische Verteilung von Projekten und Beschaffungsumsätzen auf selektierte Lieferanten und
  • der langfristige Supplier-Lifetime-Value.

Die Maßnahmen wurden gemeinsam mit den Facheinkäufern erarbeitet und hinsichtlich der Vorgehensweise, des Umsetzungszeitraums und der Verantwortungsbereiche fixiert. Zur Priorisierung der Abarbeitung und zur Gewährleistung eines effizienten Maßnahmencontrollings wurden für alle fixierten Maßnahmen Potenziale abgeschätzt. Diese ließen sich später in ein nach Härtegraden organisiertes Maßnahmencontrolling überführen.

Das Ergebnis

Mit der gezielten Reduzierung der Lieferantenanzahl konnten die folgenden Effekte realisiert werden:

  • Einsparung durch Bedarfsbündelung (ca. 9% auf das Beschaffungsvolumen),
  • Reduzierung der internen Prozesskosten durch geringere Anzahl von Lieferantenvorgängen (Disposition, Grunddatenpflege, Wareneingänge; teilw. Claim Management, Eingangsrechnungsprüfung) (ca. 15% gemessen an den Beschaffungsnebenkosten),
  • Reduzierung der internen Prozesskosten durch eine geringere Anzahl cross-funktionaler Vorgänge (weniger Lieferantenbesuche/-audits, Bemusterungen, Rahmenverträge),
  • Sicherstellung der Implementierung von Material- und Lieferantenstrategien,
  • Aufbau von strategischen Lieferantenpartnerschaften,
  • Wirksame Konkurrenzierung von Lieferanten in Ausschreibungsverfahren und
  • Fokussierung der Facheinkäuferressourcen auf die strategischen Lieferanten mit hohem Ergebnisbeitrag.

Weiterführende Literatur

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