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Einführung von Electronic Sourcing bei einer deutschen Bank

[05.12.2006]

Foto: alphaspirit / fotolia.com

Ausgangssituation

Im Rahmen der nachfolgenden Fallstudie wurde eine Entscheidungsvorlage über die Einführung von Electronic Sourcing bei einer deutschen Bank erarbeitet. Die Fallstudie beinhaltet eine klare Zuordnung von Konzepten und Instrumenten zu den jeweils betrachteten Materialgruppen. Der Fokus lag dabei auf den durch Electronic Sourcing realisierbaren Einsparpotentialen.

Vorgehensweise

Die Ableitung konkreter Optimierungsmaßnahmen der vorherrschenden Beschaffungsprozesse setzte eine geeignete Segmentierung des Beschaffungsvolumens voraus. Dazu wurde das gesamte Beschaffungsvolumen analysiert und zu geeigneten Materialgruppen zusammengefasst. Als Kriterien für die Zusammenfassung wurden dabei Gemeinsamkeiten in der Beschaffungssituation heran gezogen. Die überwiegend vorherrschende Einteilung unter technischen Gesichtspunkten wurde aufgebrochen.

Die Ableitung konkreter E-Sourcing-Ansätze für spezifische Materialgruppen erfolgte auf Basis eines kombinierten Portfolioansatzes. Erste Schwierigkeiten ergaben sich bei der Erstellung des Beschaffungsgüterportfolios, da sich durch das im Einsatz befindliche ERP-System die modifizierte Materialgruppenstruktur nicht problemlos abbilden lies und so die benötigte ABC-Analyse erschwerte. Unter Aufwand-/ Nutzenaspekten wurde die neue Struktur definiert und die ABC-Analyse zeigte, dass 60% des gesamten Beschaffungsvolumens auf zwei Materialgruppen entfällt. Für die Bewertung der Hemmnisse für Electronic Sourcing wurde ein Bewertungsschema gewählt, dass u.a. Kriterien wie Standarisierungsgrad, Spezifikationsaufwand, Änderungshäufigkeit, Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung und der Preisveränderung sowie die logistische Komplexität berücksichtigte. Ziel war es, Klarheit über das Leistungsspektrum zwischen Lieferanten und Abnehmer zu schaffen. Bei der Betrachtung des Beschaffungsgüterportfolios fällt auf, dass die bewerteten Materialgruppen generell geringe Hemmnisse für Electronic Sourcing aufweisen.


Das Beschaffungsmarktportfolio charakterisiert die Beschaffungssituation der einzelnen Materialgruppen auf den jeweiligen Beschaffungsmärkten. Analog zu der Bewertung der Hemmnisse für Electronic Sourcing wurden mit den verantwortlichen Einkäufern Bewertungsschemata diskutiert. Als wesentliche Kriterien zur Bewertung des Wettbewerbs wurden die Preisentwicklung, die Anzahl der Hersteller sowie der Auslastungsgrad bestehender Produktionskapazitäten identifiziert. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Beschaffungsmärkten wurden das logistische Know-how und die Serviceleistungen als die wesentlichen Merkmale angesehen. Bei der Betrachtung des Beschaffungsmarktportfolios fällt auf, dass ein Großteil der Materialgruppen auf Kernmärkten eingekauft wird.


Das Gesamtportfolio setzt sich aus den geschilderten Portfolios zusammen. Jedes Feld der 16-Felder-Matrix stellt eine spezifische Kombination aus Beschaffungsvolumen und Hemmnissen sowie aus Leistungsfähigkeit und Wettbewerbssituation dar. Die Eignung für Electronic Sourcing nimmt von links unten nach rechts oben zu. Wie man dem Portfolio entnehmen kann, stellen DV-Technik und Software sehr gut geeignete Güter für Electronic Sourcing dar. Weiterhin sind Telekommunikation, Einrichtungswesen und Energie sehr gut geeignet. Dienstleistungen weisen hohe Hemmnisse auf. Diese resultieren aus den Schwierigkeiten bei der Spezifikation von Dienstleistungen. Hier ist zu untersuchen, inwieweit diese Hemmnisse reduziert werden können. Bei Werbung ist neben hohen Hemmnissen - die hier auch aus internen Barrieren bestehen - das beeinflussbare Beschaffungsvolumen relativ gering.

Zur Formulierung von Ansatzpunkten je Materialfeld wurde in einem ersten Schritt die Beschaffungssituation charakterisiert. Hier spielten Punkte wie die Laufzeit aktueller Verträge, der Bedarfsverlauf und interne Zuständigkeiten eine wichtige Rolle. Bei dem betrachteten Unternehmen ergaben sich aus der Charakterisierung der Beschaffungssituation Hemmnisse für eine Pilotanwendung. Grund hierfür waren kürzlich abgeschlossene Verträge für einzelne Beschaffungsgüter. Die aktuelle Vertragssituation wurde bei den Bewertungen nicht berücksichtigt, da sie kein Hemmnis für Electronic Sourcing ist, sondern nur für die aktuelle Umsetzung.


Das erstellte Portfolio sollte mit geringem Änderungsaufwand längere Zeit gültig sein.

In einem nächsten Schritt wurde untersucht, ob und wenn welche Konzepte des Electronic Sourcing für einzelne Materialien bereits eingesetzt werden. Auf Basis des Portfolios wurden den einzelnen Materialgruppen Ansatzpunkte für Electronic Sourcing zugeordnet.
Die am häufigsten verfolgten Ansatzpunkte stellten Online-Auktionen, Demand Kataloge und Online Kataloge dar. Charakteristisch für diese Ansatzpunkte ist, dass genau diese dem Einkäufer die Möglichkeit geben, aktiv Märkte zu gestalten.


Nach der Zuordnung von Konzepten und Instrumenten des Electronic Sourcing zu den einzelnen Materialgruppen erfolgte eine Potentialabschätzung. Aufgrund der Neuartigkeit des Themas lagen nur geringe interne Erfahrungswerte über die betriebswirtschaftlichen Wirkungen des Einsatzes von Electronic Sourcing vor.

Ergebnisse

Vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Ansatzpunkten war eine Potentialabschätzung zur Priorisierung der einzelnen Umsetzungsprojekte unentbehrlich. Dabei wurde deutlich, dass die größten Einsparpotentiale bei Demand Katalogen und Online-Auktionen liegen. Insgesamt wurde hier das Einsparpotential durch die Anwendung von Electronic Sourcing auf zehn Prozent des betrachteten Beschaffungsvolumens abgeschätzt.


Als Pilotanwendung des Electronic Sourcing wurde eine Online-Auktion ausgewählt. Als besonders geeignet wurde dafür die Materialgruppe Energie angesehen. Problematisch war jedoch, dass die Verträge gerade neu abgeschlossen wurden. Es konnte jedoch auf eine Klausel zurückgegriffen werden, die die Beschaffung eines gewissen Prozentsatzes in Form von regenerativem Strom vorbehielt. Als Pilotanwendung erfolgte somit eine Online-Auktion für regenerativen Strom.

In einem Zeitraum von zweieinhalb Stunden wurden über hundert Gebote abgegeben. Die Preiskurve, die Verbindung der jeweiligen Mindestgebote, gibt den intensiven Wettbewerb um das Auktionsobjekt wider. Die Gesamtpreisreduktion lag bei 46%, das Zielpreisniveau wurde um 11% unterschritten. Die Einsparung belief sich auf einen hohen sechsstelligen Betrag.


Aufbauend auf dem realisierten Einsparpotential wurden weitere Online-Auktionen durchgeführt. Im Anschluss folgten Auktionen für EDV- und Kopierpapier. Aus den drei durchgeführten Online Auktionen ergaben sich Gesamteinsparungen von 26,3%.

 

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