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Optimierung der Lieferantenwechselprozesse bei Energieversorgern

[16.03.2009]

Foto: coramax / fotolia.com

Vor dem Hintergrund wettbewerbspolitischer Entwicklungen und Veränderungen der Anbieterstruktur auf dem Energieversorgermarkt sowie einer nachfrageseitig getriebenen Mengenzunahme des Prozesses, entwickelt sich der Lieferantenwechselprozess zu einem wesentlichen Enabler einer erfolgreichen Marktbearbeitung für deutsche Energieversorgungsunternehmen. Nur durch eine robuste und weitestgehend automatisierte Ausgestaltung des Prozesses kann eine effektive und effiziente Neukundenakquise und Kundenrückgewinnung gewährleistet werden.

Der Lieferantenwechselprozess ist im Bereich des aktiven Lieferantenwechsels (Wechsel von Kunden von einem Versorger hin zum betrachteten Unternehmen) der erste Berührungspunkt eines Neukunden mit dem ausgewählten neuen Versorger und hat daher eine signifikant hohe Relevanz für die wahrgenommene Kundenzufriedenheit. Für den passiven Lieferantenwechsel (Wechsel von Kunden vom betrachteten Unternehmen hin zu einem anderen Versorger) gilt es den wechselnden Kunden professionell zu behandeln und ihn durch eine ordentliche und problemlose Prozessabwicklung nach Ablauf seiner neuen Vertragsbindung unter Umständen wieder zurückzugewinnen.

Durch eine unternehmensintern beschlossene Übergabe der Prozessverantwortung für den aktiven und passiven Lieferantenwechselprozess in dem hier zu Grunde liegenden Praxisfall, ergab sich ein ablauf- und aufbauorganisatorischer Veränderungsbedarf, der kurzfristig umgesetzt werden musste. Ein reibungsloser Verantwortungsübergang ohne eine Beeinträchtigung der parallel laufenden Lieferantenwechselprozesse, eine Optimierung des Lieferantenwechselprozesses und dessen anforderungsgerechte, intern weiter verwendbare Dokumentation hinsichtlich der neu zu schaffenden Verantwortungsstrukturen und des Automatisierungsgrades waren Zielsetzungen der Projektaktivitäten.

Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf einer Sicherstellung des Wissenstransfers zwischen der bisher verantwortlichen Organisationseinheit und der neuverantwortlichen Abteilung. Dabei spielten insbesondere die Informationsübergabe der bisher beteiligten externen Prozessverantwortlichen, die komplementäre und substitutive Aufgaben im Gesamtprozess übernommen haben, eine wesentliche Rolle. Zur Gewährleistung eines optimalen Wissenstransfers wurden Schulungskonzepte für die neu involvierten Mitarbeiter entwickelt. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen und des aufkommenden Mengengerüstes ist eine organisatorische Neuaufstellung der operativen Abwicklung der Lieferantenwechselprozesse in vielen Energieversorgungsunternehmen notwendig. Unter Berücksichtigung von Unbundling-Vorgaben ist die Einbindung auch angrenzender Einheiten in die Entscheidungsfindung zur Prozessoptimierung sinnvoll.

Ferner wurde die Integration der Erfahrungen aus den aktuell laufenden Akquiseaktivitäten bzgl. eines neuen Stromtarifs in der Region des zugrunde liegenden Unternehmens bei der Neukonfiguration berücksichtigt, um erstens das Akquisepotenzial in der Region weiter verbessern zu können und zweitens die Learnings in die Akquiseaktivitäten im Bereich des Kerngebietes übernehmen zu können. Hierbei wurde der zunehmenden Relevanz der Online-Akquise im Bereich eines pre-contract Internet Self Services Rechnung getragen. Zum einen wurden dafür brancheninterne (ENV) und branchenübergreifende Best Practices (z. B. Telekommunikation) hinsichtlich der Ausgestaltung des kundensichtbaren ISS-Frontends herangezogen, zum anderen wurde insbesondere die Schnittstelle an der Übergabe der Kundendaten in den im Hintergrund und kundenunsichtbar laufenden Lieferantenwechselprozess hinein optimiert.

Neben der Sicherstellung der reibungslosen Übergabe des aktiv gestellten Prozesses wurde im Rahmen der Projektaktivitäten eine Optimierung des Lieferantenwechselprozesses vorangetrieben. In enger Abstimmung mit den organisatorisch Verantwortlichen wurde dabei ein Soll-Prozess entwickelt, der sowohl den Unbundling-Vorgaben als auch den identifizierten Kundenanforderungen entsprach. Hier wurde unter anderem untersucht, inwieweit Aktivitäten in Richtung des Neukunden vor Ablauf der ordnungspolitisch geregelten Fristen unternommen werden können (z. B. Kommunikationsmaßnahmen, Begrüßungsschreiben). Ferner wurden Möglichkeiten zur weiteren Steigerung der Kundenorientierung beim Lieferantenwechsel (z. B. Synchronisation der Jahresrechnung) identifiziert und Soll-Abläufe entwickelt. Neben der Kundenperspektive ist ferner die Unternehmensperspektive in die Soll-Prozess-Gestaltung mit eingeflossen. Derzeitige Zergliederungen und Dezentralisierungen der Prozessverantwortungen wurden im Rahmen der Vorschriften auf ein Minimum reduziert, um die Durchgängigkeit und damit die Geschwindigkeit des Prozesses zu erhöhen.

Bei der Optimierung des Lieferantenwechselprozesses sind zum einen die fundierte Branchenexpertise und zum anderen die Erfahrungen aus Prozessreorganisationsprojekten eingeflossen, Schwachstellen wurden identifiziert und Prozessverbesserungen entwickelt. Insbesondere dem Akquisetool Internet Self Service kam hierbei - ob seines Automatisierungspotenzials - eine wesentliche Bedeutung zu. Ziel war es, die regionalen Akquiseaktivitäten weiter zu verbessern und eine Migration der Online-Akquise auf die Website des Unternehmens vorzubereiten. Damit wurde gewährleistet, dass wechselwilligen Kunden alternativer Versorger im Kerngebiet eine kundenorientierte Möglichkeit zum Versorgerwechsel gegeben wird, die gleichzeitig für das Unternehmen effizient, weil weitestgehend automatisiert, abläuft. In diesem Zusammenhang wurde ein besonderes Augenmerk auf die korrekte Übergabe der Daten an der Schnittstelle zum Hintergrundprozess gerichtet. Ferner wurden im Projekt auf Basis der GPKE-Vorgaben (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) konkrete Teilprozesse des Lieferantenwechsels modelliert und in Handlungsanweisungen übertragen. Diese Handlungsanweisungen bilden die Grundlage einer standardisierten und fehlerfreien Fallbearbeitung in den involvierten Fachbereichen.

Im Rahmen des Projektes wurden ferner Grobimplikationen einer Grundversorgungsübernahme in Fremdnetzen und die in diesem Zusammenhang entstehenden Zusatzaufgaben aufgezeigt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Projektarbeit war eine klare Abgrenzung der Aufgaben und eine saubere Schnittstellendefinition im Zusammenhang mit dem zu optimierenden Prozess. Hierbei wurde der Ist-Zustand der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten im bestehenden Prozess aufgenommen und Vorschläge für eine Optimierung der Prozessschnittstellen und Verantwortungsübergänge erarbeitet.

Zur Optimierung des Lieferantenwechselprozesses und seiner organisatorischen Verankerung wurden bereichsinterne und bereichsübergreifende Workshops durchgeführt. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und gemäß den Vorgaben der Prozessdokumentation des zugrunde liegenden Unternehmens aufbereitet.

Weiterführende Literatur:

  • Prozess-Benchmarking
    Leitfaden zur Erreichung von Quantensprüngen in Geschäftsprozessen
  • Prozessklinik
    Leitfaden zu Wertgestaltung und Benchmarking von Geschäftsprozessen

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