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Erschließung von Synergie- und Marktpotenzialen mittels Produktklinik und Neugestaltung des Produktordnungssystems

[01.10.2002]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Viele Unternehmen überschätzen die bei Übernahmen realisierbaren Synergieeffekte. Der Erschließung von Potenzialen stehen spezifische Unternehmens- und Kundeninteressen entgegen. Ein international operierendes Unternehmen der Elektronikindustrie sah sich der Herausforderung durch die Eingliederung in einen neuen Konzernverbund gegenübergestellt. Die Produktprogramme dreier zuvor eigenständiger Unternehmen waren zu integrieren, um dem Kostendruck standhalten zu können. Erschwerend kam die für die Elektronikindustrie typische hohe Innovationsdynamik und die damit verbundene hohe Bedeutung der Aufrechterhaltung der Kundenindividualität der Produkte hinzu.

Zielsetzung

Dem Kostendruck war durch eine Senkung der Herstellkosten von 30 – 50 % je nach Leistungsklasse und Produkttyp zu begegnen. Diese Senkung der Herstellkosten sollte vor allem durch Standardisierung im Produktprogramm erreicht werden. Auf der anderen Seite sollte die mit dem Marktdruck verbundene Individualität der Kundenlösungen aufrechterhalten werden. Betrachtungsgegenstand waren Produkte mit einem Herstellkostenvolumen von ca. 250 Mio. EUR über sechs Jahre. Das Konzept war innerhalb von sechs Monaten auszugestalten.

Vorgehensweise und Methodik

Der Markt war gleichzeitig Start- und Zielpunkt des Projekts. Der Aufrechterhaltung der Individualität der Kundenlösungen wurde durch eine intensive Marktbefragung mittels einer Conjoint-Analyse Rechnung getragen. Bei der Conjoint-Analyse vergleichen die Probanden Produkte hinsichtlich gewisser Merkmale und bringen sie in die von ihnen favorisierte Rangfolge. Spezielle Algorithmen in Softwaretools errechnen daraus die favorisierten Ausprägungen einzelner Merkmale sowie die Bedeutung einzelner Merkmale zueinander. Durch die Conjoint-Analyse konnten die dem Kunden wichtigen Produktfunktionen sowie deren favorisierte technische Realisierung ermittelt werden.

Ein weiterer Baustein der Marktanalyse war die Untersuchung von Wettbewerbsprodukten durch die Einrichtung einer Produktklinik. Der Vergleich der Produkte erfolgte aufgrund der Vielzahl an technischen Realisierungsmöglichkeiten auf Funktionsebene. Das Gesamtprodukt wurde dabei in ca. 50 Unterfunktionen aufgespalten. Die Unterfunktionen wurden nach einem einheitlichen Schema kalkuliert und deren technische Realisierung benotet. Dieser Ansatz ermöglichte ein systematisches Cherry Picking unter den verschiedenen Wettbewerberlösungen.

Im nächsten Schritt wurde das Produktordnungssystem ausgestaltet. Ziel war zum einen die Modularisierung des Produktaufbaus sowie die Leistungsklassen und Produkttypen übergreifende Verwendung von Gleichteilen und Plattformen. Um den verschiedenen Sichtweisen und Interessen Rechnung zu tragen, analysierte ein interdisziplinäres Team die verschiedenen Bündelungstreiber, also die Einflussgrößen auf die Zusammenlegung von Komponenten. Während die Entwicklung beispielsweise die Ordnung der Komponenten nach deren Innovationsdynamik bevorzugt, sind für die Produktion Montagefreundlichkeit und für den Service die Austauschbarkeit die entscheidenden Aspekte. Wichtigster Ordnungsaspekt in vorliegenden Fall war die Trennung in leistungsklassenunabhängige und leistungsklassenabhängige Teile. Die Komponenten wurden hinsichtlich ihrer Abstufungen über die verschiedenen Leistungsklassen untersucht (horizontale Bündelung). Die leistungsklassenunabhängigen Teile wurden zu einer in allen Produkten einzusetzenden Plattform zusammengefasst (vertikale Bündelung). Dabei umfasst die Plattform je nach Leistungsklasse zwischen 20 und 50 % der Herstellkosten. Das restliche Basisprodukt wurde in fünf Module unterteilt, wobei sich als Hauptbündelungstreiber Innovationsdynamik, Lieferantenverfügbarkeit sowie Benutzerfreundlichkeit herauskristallisierten. Die Optionalitäten wurden je nach Leistungsbereich in zwei oder drei Module zusammengefasst. Die sich an die Modularsierung anschließende Durchführung einer Schnittstellenanalyse zielte auf eine möglichst große Unabhängigkeit zwischen den Modulen sowie eine montagefreundliche Anordnung der Module ab. Die Modulanordnung sowie die Reduktion der Schnittstellenkomplexität ermöglichte eine montagefreundliche Sandwichmontage mit einer Fügerichtung.

Wirkungsanalyse

Durch das Projekt konnten die Herstellkosten um je nach Produkttyp und Leistungsklasse um 30 bis 50 % gesenkt werden. Die Anzahl der internen Varianten konnte von über 300.000 auf ca. 10.000 gesenkt werden. Durch die mit der Ausgestaltung des Produktordnungssystems verbundene Komplexitätsreduzierung durch Standardisierung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Individualität der Kundenlösungen sind weitere wesentliche Effekte zu erwarten. Dazu gehören unter anderem die erhöhte Flexibilität und damit verbundene vereinfachte Reaktion auf veränderte Marktbedingungen für die Entwicklung durch eine stabile Plattform sowie den modularsierten Produktaufbau, die Vereinfachung der Produktkonfiguration für den Vertrieb sowie die höhere Transparenz des Produktprogramms für den Kunden.

Weiterführende Literatur:

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