^

Produktlinienorganisationen - Schnelle Boote statt behäbiger Tanker

[25.05.2005]

Foto: yoshitaka / fotolia.com
Als Erfolgsfaktoren für eine profitable Unternehmenstätigkeit haben sich eine hohe Reaktionsfähigkeit auf die Wünsche der Kunden und eine permanente Verbesserung der internen Abläufe herausgestellt. Genau diese zwei Parameter sind jedoch in den klassisch funktional aufgestellten Organisationen immer schwerer zu optimieren. Vertriebseinheiten schieben mangelnden Markterfolg auf die Qualität und Umsetzungsdauer in der Entwicklung zurück. Die Entwickler kontern mit den unzureichenden Vorgaben hinsichtlich des zu entwickelnden Produktes und der mangelhaften Abstimmung mit der Fertigung. Nicht selten weisen die einzelnen Einheiten starke Verbesserungspotenziale im Hinblick auf das unternehmerische Denken und die Selbstorganisation auf.

Als Lösungsansatz bietet sich die Schaffung von eigenständig operierenden Einheiten, so genannte Businesslines, innerhalb des Unternehmens an. Diese Einheiten besitzen ein eigenes Produktmanagement, eigene Entwicklung und eigene Fertigung. Dadurch sind die wesentlichen Funktionen unter einer Verantwortlichkeit zusammengefasst und können über das Ergebnis gesteuert werden. Damit einher geht die Duplizierung von Strukturen. Um diese möglichst gering zu halten, bietet sich die Einrichtung von übergreifend tätigen Servicecentern an. Die endkundenorientierten Einheiten wie Vertrieb, Service oder Ersatzteilgeschäft werden nur einmal in Form von eigenständigen Businesslines implementiert.

Die Überführung einer funktional ausgerichteten Organisation in eine Produktlinienorganisation orientiert sich an verschiedenen Leitlinien wie der Ausrichtung an Prozessen mit einer ganzheitlichen Vorgangsbearbeitung, die Konzentration auf Wachstumsbereiche, die Installation von klaren Kunden-Lieferanten-Beziehungen in der Organisation sowie die Selbstorganisation und Ergebnisverantwortung der Businesslines.

Die Vorgehensweise zur Einführung einer Produktlinienorganisation startet mit einer Analyse und Bewertung der Ausgangssituation. Inhalte der ersten Phase sind die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs, die Analyse der Kosten- und Personalstruktur, die Auswertung der funktionalen Aufgaben und Verantwortungen sowie die Abschätzung der Potenzialwirkungen unterschiedlicher Organisationsmodelle. In der sich anschließenden Phase der Ausgestaltung des Produktlinienmodells geht es um die Festlegung der Organisationseinheiten, die Funktionszuordnungen, die Bildung von Szenarien sowie die Detaillierung der Potenziale der Produktlinienorganisation. Aufbauend auf diesem grundsätzlichen Konzept erfolgt die detaillierte Ausgestaltung innerhalb eines jeden Bereichs mit den jeweiligen Führungskräften. Gegenstand der detaillierten Ausgestaltung der einzelnen Bereiche ist die Festlegung der Organisationsstrukturen, die Definition von Funktionen und Aufgaben einer jeden Abteilung, die Ausgestaltung der Schnittstellen sowie die Dimensionierung der Kapazitäten und die Definition von Kernprozessen. Die Implementierung der Produktlinienorganisation wird im Rahmen von Workshops geplant und darauf aufbauend durchgeführt. Begleitend empfiehlt sich das Aufsetzen eines Umsetzungscontrollings.

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Businesslines und der Servicecenter sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß sind die Veränderungen in den Servicelines durch die beibehaltene Konsolidierung der Funktion in einem Bereich geringer als in den produktiven Businesslines.

Die Ausgestaltung der Businesslines startet mit der Definition der strategischen Ausrichtung. Hierbei sind die internen Kunden und Lieferanten genauso zu identifizieren wie eine Vision hinsichtlich des Produkt- und Leistungsspektrums des Bereiches zu erarbeiten und mit der Geschäftsführung abzustimmen. Aufbauend darauf erfolgt die Definition der internen Organisationsstrukturen. Hier bieten sich insbesondere die Einrichtung eines Produktmanagements sowie die Bündelung aller auftragsspezifischen Funktionen in einem Auftragszentrum an. In der Person des Produktmanagers sind Markt- und Produktkompetenz gebündelt. Produktmanager sind dafür verantwortlich, den Produktmix und das Variantenmanagement der Businessline zu gestalten und weiterzuentwickeln. Dementsprechend haben sie einen engen Kontakt zur Entwicklung der Businessline und den Zentralfunktionen Marketing und Vertrieb. Durch die Bündelung aller auftragsspezifischen Funktionen wie Auftragsannahme und -terminsteuerung, Fertigungsplanung, Auftragskonstruktion sowie Materialdisposition, werden eine enge Verzahnung und kurze Abstimmungswege, beispielsweise bei der Abstimmung von kundenspezifischen Konstruktionen, sichergestellt. In den Businesslines werden weiterhin die Entwicklung und die Fertigung für das Produktspektrum gebündelt. Zur Erschließung der Synergien im Entwicklungsbereich, die beispielsweise in der Vorentwicklung, dem Prototypen- und Musterbau, der Berechnung/Simulation und Erprobung sowie der Abstimmung von Entwicklungsplänen oder entwicklungsbezogenen IT-Projekten liegen, ist es zweckmäßig, ein Servicecenter Entwicklung zu bilden. Zum Businessline übergreifenden Informationsaustausch empfehlen sich die Einrichtung von Führungskreisen und die Bestimmung von Leadfunktionen. Hierbei konzipiert und erprobt beispielsweise ein Entwicklungsbereich den Einsatz eines PLM-Systems, das anschließend auf die anderen Bereiche ausgerollt wird.

Die strategische Ausrichtung der Service-Center orientiert sich an den Anforderungen der neu eingeführten Businesslines. Die Service-Centerorganisation bildet Bereiche wie Marketing, Personal, Qualität, Controlling und Einkauf ab. Die Service-Center sind im Gegensatz zu den Businesslines nicht profitgesteuert. Ihre Aufgabe ist die Abwicklung zentraler Aufgaben, die von allen Businesslines benötigt werden. Sie stellen somit Unterstützungsfunktion für die Businesslines dar. Die Schnittstellen zu den einzelnen Businesslines werden in einem ersten Schritt ausgestaltet. Es wurden z.B. im Bereich "Qualität" Mitarbeiter, die für die Produktprüfung einer Businessline verantwortlich sind, direkt in den Businesslines angesiedelt und die Schnittstelle zum zentralen Service-Center Qualität ausgestaltet. Dabei gilt es, klare Verantwortungen, Inhalte und Prozesse an den Schnittstellen zu den Businesslines zu definieren. Darauf aufbauend werden im Rahmen der Implementierung die Kernprozesse der Service-Center definiert und umgesetzt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Organisationen, die sich durch lange Abstimmungsprozesse, instabile Prozesse und mangelnde unternehmerische Verantwortung auszeichnen von der Einführung einer Produktlinienorganisation profitieren. Die Implementierung bedingt eine umfassende Analyse des Ausgangszustands und eine strukturierte Vorgehensweise unter möglichst frühzeitiger Beteiligung der Führungskräfte der Bereiche und anderer Wissensträger.

Weiterführende Literatur

VorherigeNächste