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Lokalisierung und technische Entfeinerung von Teileumfängen

[29.09.2008]

Foto: alphaspirit / fotolia.com

Schwellenländer sind aufgrund ihrer hohen Marktvolumina und geringen Marktdurchdringung für westliche Industrieunternehmen von erheblichem Interesse. Eine Lokalisierung und technische Entfeinerung von Teileumfängen ermöglicht eine wettbewerbsfähige Vermarktung von Produkten in kaufkraftarmen Märkten wie beispielsweise Indien oder China.

Das betrachtete Unternehmen ist ein internationaler Hersteller von Nutzfahrzeugen für den gewerblichen, landwirtschaftlichen und behördlichen Bereich mit einer breiten Produktpalette und internationalem Produktionsnetz. Im Rahmen der angestrebten Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie stehen derzeit insbesondere Schwellenländer in Südamerika und Asien - dort v.a. Indien und China - im Vordergrund des Interesses. Hier gilt es Produkte anzubieten, die den Anforderungen des Marktes entsprechen und zugleich der gegenüber westlichen Industrienationen geringeren Kaufkraft Rechnung zu tragen. Hierzu sind Produktkonzepte zu entwickeln, die auf die lokalen Anforderungen zugeschnitten sind, da der Transfer etablierter Produkte aus Industrienationen regelmäßig zu einem funktionalen und qualitativen Overengineering der Produkte führt. Darüber hinaus gilt es, die Supply Chain und das Lieferantennetzwerk im lokalen Markt zu verankern (zu "lokalisieren"), so dass Material- und Lohnkostenvorteile zur Zielkostenerreichung genutzt werden können. Aufgabenstellung des beschriebenen Projektes war es daher, ein Produktderivat für Schwellenländer zu konzipieren, dass den lokalen Anforderungen gerecht wird und zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden kann, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen und profitablen Marktpositionierung zu erhöhen.

Der Lösungsansatz zur Lokalisierung und technischen Entfeinerung eines Produktes umfasste sechs Projektmodule, die sowohl die Analyse des lokalen Marktes und die Definition von Zielpreisen und -kosten als auch die Erarbeitung und Bewertung eines technisch entfeinerten und lokalisierten Produktkonzeptes umfassten.


In Projektmodul 1 "Portfolioanalyse/ Produktprogrammplanung" wurde der vorhandene und zu erwartende Markt in dem betrachteten Schwellenland analysiert und interne und externe Marktlücken identifiziert. Darüber hinaus konnten Produktwolken, also Segmente mit sich überdeckenden Produktkonzepten und entsprechend hoher Wettbewerbsintensität identifiziert werden. Aus diesen Erkenntnissen wurden im Anschluss eine Produktstrategie für die angestrebten Marktsegmente formuliert und Produkt- und Innovationskonzepte mit einer hohen Erfolgsträchtigkeit für den betrachteten Markt auf Eigenschaftsebene ausgearbeitet.

Im Rahmen des zweiten Projektmoduls erfolgt die Erhebung der Kundenanforderungen in den anvisierten Marktsegmenten. Diese wurden anhand einer internetbasierten Conjoint Analyse unter Konzernmitarbeitern und lokalen Marktteilnehmern quantitativ erfasst und ausgewertet. Auf Basis einer Analyse der abgefragten Merkmale und Ausprägungen konnten Basis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften identifiziert und differenziert werden. Ein Vergleich mit Leistungskonfigurationen der direkten Wettbewerber ermöglichte daraufhin die Festlegung von Teileumfängen für die technische Entfeinerung.


Die Potenzialanalyse der Teileumfänge in Projektmodul 3 umfasste die Bewertung des Kostenpotenzials für eine Lokalisierung und die Potenzialbewertung einer technischen Entfeinerung der relevanten Teileumfänge. Hierzu wurde auf Basis von Länderindizes das landestypische Preisniveau ermittelt und unter Berücksichtigung der vorhandenen Markt- und Landesinformationen top-down Zielpreise ermittelt, die es zu realisieren gilt, um das Produkt erfolgreich absetzen zu können. Die Analyse und ein Vergleich der für das Produkt relevanten Leistungs- und Kostenstrukturen im Vergleich zum direkten Wettbewerb vervollständigten die Analysen in diesem Projektmodul. Es wurde ermittelt, welche Produktkonfigurationen vom Wettbewerber angeboten werden und welche Lieferströme sowie Lieferantenstrukturen die Konkurrenten nutzen, um die Produkte wirtschaftlich am Markt anbieten zu können. Die Ermittlung der marktüblichen Leistungsumfänge und die gezielte Differenzierung vom Wettbewerb insbesondere in Überdeckungsbereichen des Marktes vervollständigen das Sollkonzept.


Die Entfeinerung der relevanten Teileumfänge erfolgte im Anschluss anhand der Produktklinik-Systematik. Diese umfasste die Demontage und Untersuchung des eigenen Produktes sowie der relevanten Wettbewerbsprodukte. Das Vorgehen der technischen Entfeinerung anhand der Produktklinik-Systematik gliederte sich dabei im Detail in die Schritte Analyse der Produkteigenschaften, Demontage und Kalkulation der Funktionskosten sowie die Zielkostenvorgabe und die Erarbeitung von Optimierungsansätzen. Ergebnis des Moduls waren schließlich bewertete Alternativkonzepte unter Berücksichtigung von Eigen- und Wettbewerbslösungen zur Entfeinerung und Kostenreduzierung der Teileumfänge.


Parallel zu den Projektmodulen wurden identifizierte Sofortmaßnahmen kurzfristig zur Umsetzung gebracht und deren Kostenwirksamkeit nachgewiesen. Diese Quick Wins ermöglichten eine schnelle Erschließung von Kostenpotenzialen und führten zu einer umfassenden Akzeptanz der gewählten Vorgehensweise sowie der definierten anspruchsvollen Ziele. Projektmodul 6 umfasste schließlich die Umsetzung der ausgearbeiteten und definierten Maßnahmen zur Entfeinerung und Lokalisierung der Teileumfänge.

Die Tiefenlokalisierung der Teileumfänge auf Basis der technischen Entfeinerung wirkte in zwei Richtungen. Der erste Effekt lag darin, dass ein marktadäquates Produktkonzept erarbeitet werden konnte, dessen Zielkosten um 34% unter dem Niveau vergleichbarer Produkte in westlichen Industriemärkten lag. Dies gelang bei Beibehaltung einer Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb durch zielgenaue Positionierung anhand der identifizierten Kundenanforderungen und der im Markt vorherrschenden Konkurrenzsituation. Als weiterer Effekt konnte die Supply Chain auf Basis der Analysen bereits zum SOP in optimierter Form genutzt werden. Insgesamt konnte eine Tiefenlokalisierung des Zuliefernetzwerks in Höhe von 63% erreicht werden. Nach Abschluss der Anlaufphase des Produktes wird eine Tiefenlokalisierung von 75-80% angestrebt, die bereits mit Maßnahmen und Ansatzpunkten hinterlegt werden konnte.

Weiterführende Literatur:

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