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Methoden des Cost Engineerings zur Produktprogrammgestaltung

[05.06.2013]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Mit der Distanzanalyse und der Komplexitätskostenrechnung kann das Produktprogramm des Unternehmens sowohl auf sein Marktpotenzial als auch auf seine Kostenwirkung hin untersucht werden. Als Ergebnis können aus Kundensicht unattraktive oder zu kostspielige Produktvarianten erkannt und eliminiert werden. Zudem werden Produktinnovationen mit den richtigen Ei­gen­schaf­ten identifiziert und am Markt positioniert. Mit der Distanzanalyse getroffene Entscheidungen können durch die Komplexitätskostenrechnung laufend auf ihre Kostenwirkung überprüft werden. Die erreichte Komplexitätsreduktion lässt sich monetär quantifizieren.

Methoden im Cost Engineering

Die Methoden der Distanzanalyse und der Komplexitätskostenrechnung sind dazu geeignet, ein effizientes Cost Engineering von Produkten im Unternehmen sicherzustellen. Durch den kom­bi­nier­ten Einsatz einer nutzenseitigen Analyse der Produktvarianten mittels Distanzanalyse und einer kostenseitigen Analyse der Produktvarianten mittels Komplexitätskostenrechnung kann das Produktprogramm hinsichtlich seiner Marktwirkung anforderungsgerecht gestaltet und gleichzeitig Ein­spar­po­ten­zi­a­le in der Kostenstruktur ermittelt werden. In direkten und indirekten Bereichen entstehende Kosten werden Produkten und Produktvarianten transparent und verursachungsgerecht zu­ge­ord­net.

Marktseitige Analyse des Produktprogramms mit Distanzanalyse

Die Distanzanalyse stellt eine zentrale Methode der Produktprogrammplanung in gesättigten Märkten dar. Sie zählt zu den multivariaten Analysemethoden und basiert auf dem euklidischen Distanzmaß. Sie basiert auf zwei Annahmen. Erstens, dass die Wahrnehmung von Kunden mehrdimensional ist und zweitens, dass sich die Bewertung der Produkte aus der Wahrnehmung der einzelnen Pro­dukt­ei­gen­schaf­ten zusammensetzt.

Mit Hilfe der Distanzanalyse lassen sich folgende Fragestellungen beantworten:

  • Wie sind Produkte aus Sicht der Kunden positioniert?
  • Welche Produkte stehen aus Kundensicht in unmittelbarer Konkurrenz zueinander?
  • Anhand welcher Kriterien unterscheiden und beurteilen Kunden die vorhandenen Wettbewerbsprodukte?
  • Wie sollte ein Idealprodukt beschaffen sein?
  • Wo gibt es Marktnischen?

Durchführung der Distanzanalyse

  1. Erfassung der Produkteigenschaften

    Im Rahmen einer Portfolioanalyse werden Ausgangsdaten der eigenen und wahlweise der Kon­kur­renz­pro­duk­te beschafft. Als Ergebnis sind sämtliche kaufentscheidende Pro­dukt­merk­ma­le definiert.

  2. Normierung der Produkteigenschaften

    Da die Ausprägungen der kundenrelevanten Produkteigenschaften in unterschiedlichen Grö­ßen­di­men­si­o­nen abgebildet werden, sind die Eigenschaftsausprägungen auf eine einheitliche Skala zu normieren.

  3. Kundengewichtungen

    Mit der Gewichtung der Produkteigenschaften aus Kundensicht können die Produkt- und Markt­wahr­neh­mun­gen unterschiedlicher Käufergruppen erfasst und analytisch berücksichtigt werden.

  4. Berechnung der Distanzmaße

    Aus allen eingangs definierten kaufentscheidenden Merkmalen wird ein n-dimensionaler Ei­gen­schafts­raum aufgespannt, indem jedes Merkmal einer Dimension zugeordnet wird. Den analysierten Produkten des eigenen Unternehmens und wahlweise denen der Wettbewerber wird entsprechend ihrer Ausprägungen eine spezifische Position innerhalb des Ei­gen­schafts­rau­mes zugeordnet. Durch Berechnung des euklidischen Distanzmaßes gelingt es, Produkte sowohl gesamthaft als auch bezogen auf konkrete Eigenschaften analysieren und op­ti­mie­ren zu können.

  5. Produktwolken- und Produktlückenanalyse

    Die sich anschließende graphische Auswertung der Distanzmaße ermöglicht eine I­den­ti­fi­zie­rung von Produktwolken und Portfoliolücken. In Bereichen des Portfolios mit einer erheblichen Produktfülle gilt es, Differenzierungskriterien zu identifizieren und diese auf Eigenschaftsebene zu realisieren sowie grundsätzlich die Position und Anzahl der eigenen Produkte in diesem Bereich zu optimieren. In Bereichen, in denen nur geringer oder gar kein Wettbewerb herrscht, gilt es zu prüfen, ob in diesen Marktfeldern überhaupt Zah­lungs­be­reit­schaft oder zumindest ein Nachfragepotenzial seitens der Kunden vorhanden ist. Sollte dies der Fall sein, gilt es, diese Bereiche mit entsprechend ausgestalteten und po­si­ti­o­nier­ten Produktkonzepten zu besetzen. So können auf der einen Seite bei konstanter Marktpenetranz die Komplexität durch Variantenreduzierung verringert werden und neue Marktfelder für das eigene Unternehmen identifiziert und Umsatzsteigerungen generiert werden. Zudem muss insbesondere bei Neuproduktkonzepten eine Substitutionsanalyse durchgeführt werden. Die Untersuchung von Substitutionseffekten gibt Antwort auf die Frage, wie leicht eigene Produkte am Markt durch andersartige Produkte ersetzt und schließlich vom Markt verdrängt werden können.


Abbildung 1: Euklidisches Distanzmaß

Kostenseitige Analyse des Produktprogramms mit Komplexitätskostenrechnung

Mit Hilfe der Komplexitätskostenrechnung lassen sich die Kostenwirkungen von Produktvarianten transparent darstellen. Entstandene Kosten in direkten und indirekten Unternehmensbereichen können Produkten und Produktvarianten verursachungsgerecht zugeordnet werden. Dazu werden diejenigen Kosten bestimmt, die eine Variante oder ein Produktprogramm in verschiedenen Unternehmensbereichen generiert. Hierfür ist eine Abkehr von der üblichen Zuschlagskalkulation notwendig, da insbesondere Gemeinkosten verursachungsgerecht verrechnet werden müssen. In ihnen verstecken sich die vielfalts- und komplexitätsbedingten Kosten. Dazu wird eine vor­gangs­o­ri­en­tier­te Kostenrechnung mittels Varianten- oder Prozesskostenrechnung eingesetzt.

Die Variantenkostenrechnung ist aufwandsbedingt nur bei einer begrenzten Breite und Tiefe des Produktprogramms anwendbar. Bei der Prozesskostenrechnung erfolgt die Kostenverrechnung im Unternehmen auf Basis von Aktivitäten, die das Unternehmensgeschehen abbilden. Kostenumlagen und pauschale Zuschlagssätze werden vermieden. Die verursachungsgerechte Kostenzuordnung ermöglicht die transparente Darstellung von Produktprogrammänderungen auf die betriebliche Kostenstruktur. Eine effektive Kostenkontrolle ist somit möglich. Bestehende oder geplante Produktvarianten können auf ihre Ertragskraft hin untersucht werden. Mittels der Untersuchung der Komplexitätskosten werden Rationalisierungspotenziale im Unternehmen aufgedeckt und Ent­schei­dun­gen bezüglich der Eigenfertigung und des Fremdbezugs von Produkten und Prozessen getroffen. Durch den Transfer der Ergebnisse der Komplexitätskostenrechnung in der Entwicklung und Konstruktion können Komplexitätskosten durch kostengünstiges Variantendesign vermieden werden.


Abbildung 2: Herkömmliche Zuschlagskalkulation vs. prozessorientierte Kalkulation

Beratungsprodukte

Publikationen

  • Conjoint Analyse
    Leitfaden zur kundenwertorientierten Produktentwicklung mittels Conjoint Analysen
  • Entwicklungsprozess
    Einführungsleitfaden für ein kundenorientiertes Redesign und Time to Market
  • Produktklinik
    Leitfaden zur Steigerung der Lerngeschwindigkeit und Produktkostensenkung
  • Produktklinik
    Wertgestaltung von Produkten und Prozessen - Methoden und Fallbeispiele
  • Produktordnungssysteme
    Leitfaden zur Standardisierung und Individualisierung des Produktprogramms durch intelligente Plattformstrategien
  • Komplexitätsindex
    Entscheidungsgrundlage für die Produktprogrammgestaltung bei KMU
  • Komplexitätsmanagement
    Komplexitätsmanagement in Vertrieb, Beschaffung, Produkt, Entwicklung und Produktion
  • Variantenmanagement
    Leitfaden zur Komplexitätsreduzierung, Komplexitätsbeherrschung und Komplexitätsvermeidung

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