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Reorganisation global verteilter Entwicklungen

[16.11.2010]

Foto: yoshitaka / fotolia.com

Die Entwicklungsaktivitäten eines Technologieunternehmens von heute bilden den Grundstein für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. Der Entwicklungsorganisation kommt deshalb eine ganz besondere Bedeutung zu, insbesondere bei einem global agierenden Unternehmen mit komplexen, technologieintensiven Produkten und langen Produktlebenszyklen. Langjährig gewachsene, heterogene Organisations- und Prozessstrukturen der Entwicklung, die zudem auf mehrere Standorte verteilt ist, führten bei dem betrachteten Unternehmen des Großanlagenbaus zur Notwendigkeit einer Reorganisation des Entwicklungsbereiches. Vor allem die Dreiteilung der Entwicklung in Neu- und Anpassungsentwicklung sowie der Entwicklung von Zukunftstechnologien führten zu Ineffizienzen und teilweise auch zu redundanten Entwicklungsaktivitäten. Durch die erfolgreich durchgeführte Reorganisation wurde eine leistungsfähige und effiziente Entwicklungsorganisation realisiert.

Ausgangssituation und Zielsetzung

Die heutige Entwicklungsorganisation entstand aus dem historischen Zusammenschluss zweier Unternehmen aus den USA und Deutschland mit jeweils unterschiedlichen Tech­no­lo­gie­phi­losophien und Absatzmärkten. Insbesondere die Verteilung der Entwicklungsressourcen auf drei Entwicklungseinheiten für Service-, Neuentwicklung und der Entwicklung von Zukunftstechnologien führte aufgrund unklarer Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu Parallelentwicklungen, zu Konflikten hinsichtlich der Budget- und Ressourcenverteilung zwischen langfristiger Neuentwicklung und kurzfristigem Servicegeschäft sowie zu langen Entwicklungszeiten und intransparenten Entwicklungskosten. Die Zielsetzung der Reorganisation bestand nunmehr darin, die genannten Entwicklungseinheiten zu harmonisieren, effiziente und schlanke Strukturen zu schaffen, Entwicklungszeiten zu verkürzen, die Kosteneffizienz und –transparenz zu erhöhen sowie Einkauf und Fertigung frühzeitig in den Produktentstehungsprozess einzubinden. Darüber hinaus sollte eine Organisationsstruktur mit klar definierten Zuständigkeiten und Interaktionsprozessen für interne und externe Schnittstellenpartner geschaffen werden. Maßgebliches Ziel war weiterhin, die vorhandenen Kernkompetenzen trotz umfangreicher Reorganisationsmaßnahmen zu erhalten und wichtige „Key Player“ auch zukünftig an das Unternehmen zu binden. Die parallele Komplettverlagerung eines Fertigungsstandortes und die damit zusammenhängende Zielvorgabe, Entwicklung und Fertigung auch örtlich enger miteinander zu verzahnen, waren ebenfalls Bestandteil des Projektes. Die Hauptentwicklungsstandorte sollten zudem beiderseits des Atlantiks gleichermaßen gestärkt werden.

Vorgehensweise

Zur Durchführung des Projektes wurde ein Projektteam mit ausgewählten Experten des Unternehmens gebildet, um gemeinsam mit dem TCW an Lösungsoptionen zu arbeiten. Die Vorgehensweise des Projektes zur Reorganisation der Entwicklung gliederte sich in mehrere, aufeinander aufbauende, Phasen.

Gegenstand von Phase 1 war die Analyse der bestehenden Entwicklungsorganisation. Anhand einer umfangreichen Datenauswertung wurden zunächst die Organisationsstruktur mit den jeweiligen Organisationseinheiten und Verantwortlichen sowie wesentliche Kapazitäts- und Finanzzahlen analysiert. Zahlreiche Interviews und Workshops mit Projektteammitgliedern und weiteren relevanten Unternehmensvertretern komplettierten die umfangreiche Ist-Analyse, bei der sämtliche Funktionen, Aufgaben, Tätigkeiten, Kernkompetenzen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Orga­ni­sa­tions­einheiten erfasst wurden. Untersuchungsgegenstand der Ist-Analyse war darüber hinaus eine umfangreiche Schnittstellenanalyse aller relevanten Entwicklungsabteilungen, einhergehend mit der Erfassung von allen wichtigen Prozessabläufen. Ein Abgleich der Entwicklungskapazitäten mit den Ergebnissen einer Value-Chain-Analyse gab zusätzlichen Aufschluss über die optimale Verteilung der Mitarbeiterkapazitäten auf die relevanten Entwicklungs- und Fertigungsstandorte. Durch die umfangreichen Interviews und Workshops konnten wesentliche Unterschiede zwischen den transatlantischen Standorten analysiert, Schwachstellen identifiziert sowie Verbesserungspotenziale zusammen mit den Projektteammitgliedern herausgearbeitet werden. Zur Vorbereitung auf die zweite Projektphase wurden anschließend zahlreiche in der Praxis existierende Entwicklungs­organisationsoptionen, sowohl aus verwandten, als auch artfremden Branchen analysiert und relevante Vor- und Nachteile dokumentiert.

Phase 2 beinhaltete die Entwicklung von neuen zukunftsweisenden Organisationsoptionen mit den Projektteammitgliedern, bei der sowohl die identifizierten Schwachstellen der vorhandenen Entwicklungsorganisation, als auch zukünftige Herausforderungen berücksichtigt wurden. Die Gruppierung der erarbeiteten Organisationsoptionen erfolgte anhand von vorab definierten Schlüsselkriterien (z.B. Ressourcenverteilung, Entscheidungsbefugnis, etc.). Um nun die erar­bei­te­ten Optionen zu bewerten, mussten geeignete Bewertungskriterien und Bewertungsverfahren identifiziert werden, die eine objektive Auswahl eines präferierten Organisationsmodells gewährleisten konnten. Schließlich fiel die Wahl auf eine Organisationsoption, die in der folgenden Phase weiter entwickelt und detailliert wurde.

Die dritte Phase umfasst die Ausdetaillierung der gewählten Gestaltungsoptionen für die zukünftige Entwicklungsorganisation. Neu verankerte Funktionen wurden diskutiert, konkretisiert und dokumentiert. Des Weiteren wurden sämtliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten der neuen Funktionsstruktur detailliert beschrieben. Eine weitere Aufgabe war die Definition und Detaillierung der internen und externen Schnittstellen der zukünftigen Entwicklungsorganisation, das prozessuale Zusammenspiel der verschiedenen Funktionen sowie die funktionale und geographische Verteilung der Kapazitäten zusammen mit den verantwortlichen Unternehmensvertretern.

Die vierte Projektphase hatte die Erarbeitung eines Transformations- und Kommuni­ka­tions­konzeptes zum Inhalt. Das Transformationskonzept umfasste neben der Entwicklung eines detaillierten Umsetzungszeitplanes mit allen relevanten Implementierungsschritten auch die Ausarbeitung einer konkreten Migrationsbilanz hinsichtlich der unterschiedlichen Entwicklungs- und Fertigungsstandorte. Ein weiterer wichtiger Baustein des Projektes war die Erarbeitung und Formulierung eines auf die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Mitarbeitergruppen bzw. Führungskräfte zugeschnittenes Kommunikationskonzeptes, das die neue Organisation sowohl übergreifend als auch im Detail vorstellt. Die abschließende Projektphase stellte die Begleitung des Transformationsprozesses der neuen Entwicklungsorganisation und die Prozessharmonisierung dar.

Ergebnisse

Durch die Reorganisation des Entwicklungsbereiches konnten wesentliche Verbesserungen erzielt werden. Die ursprünglich drei Entwicklungseinheiten wurden zu einer Entwicklungseinheit gebündelt, die nunmehr den ganzen Produktlebenszyklus eines Produkttyps abdeckt. Durch die Implementierung einer vorgelagerten Organisationseinheit neben der eigentlichen Entwicklung, die für die Koordination sämtlicher Entwicklungstätigkeiten aller Produktlinien, die Projekt- und Budgetpriorisierung, die frühzeitige Integration von Einkauf und Fertigung in den Produkt­ent­steh­ungs­prozess, die Anlagenprüfung und für Kostenmanagement und Kostentransparenz verantwortlich ist, konnte die Fokussierung auf die eigentlichen Produktentwicklungsaufgaben innerhalb der Entwicklungseinheit gestärkt werden. Die vorgelagerte Komplementäreinheit zur Entwicklung bildet zudem die technische Schnittstelle für interne und externe Kunden. Das Ziel einer engeren Verzahnung von Entwicklung und Fertigung wurde darüber hinaus durch die Verlagerung von Entwicklungsingenieuren an die Fertigungsstandorte sichergestellt, die die Fertigungs­ingenieure beispielsweise bei Konstruktionsfragen oder Produkt- und Prozess­qua­li­fi­zierungs­aufgaben flexibel und schnell unterstützen.

Die realisierte Organisationsform führte insgesamt zu einer Harmonisierung der Ent­wick­lungs­prozesse und erfüllt zugleich aufgrund der sachorientierten Zuordnung von Ent­schei­dungs­befugnissen und der optimierten Funktionsstruktur die Zielvorgabe einer schlanken und effizienten Entwicklungsorganisation mit hoher Kostentransparenz.

Weiterführende Literatur

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