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Virtuelle Märkte

[14.12.1999]

Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.com
Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) setzen nur wenige deutsche Unternehmen das Internet für ihre Geschäfte ein: Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht keine Veranlassung, die Möglichkeiten des Electronic Commerce für sich zu nutzen. Was insbesondere unverständlich erscheint, da schon für das Jahr 2000, selbst nach vorsichtigen Schätzungen, ein Absatz von Waren und Dienstleistungen in der Bundesrepublik über das Internet im Wert von fast 7 Milliarden Mark prognostiziert wird.

Deutsche Unternehmen lassen E-Commerce links liegen

Wo liegen die Gründe hierfür? Zum einen wird dieser Absatzweg der Zukunft unterschätzt, auch aufgrund mangelnder Transparenz und Vertrautheit mit diesem Medium, zum anderen aber erscheint das Internet vielen nur als Darstellungsbühne für eigene Produkte, also für den eigenen Vertrieb. Zu einem Markt gehört jedoch nicht nur das Angebot, sondern auch die Nachfrage. Eben diese stellt die Beschaffung der Unternehmen dar. Nachdem Einsparpotentiale auf der Produktions­seite weitgehend ausgeschöpft wurden, kommt dem Einkauf eine Schlüsselstellung für den Unternehmenserfolg zu. Hier sollten alle verfügbaren Tools genutzt werden, um die Effizienz zu steigern und Komplexität zu verringern. Zu diesen Werkzeugen gehört im heutigen Zeitalter auch die Nutzung der sich durch das Internet bietenden Möglichkeiten. Jedoch wird das Internet nur selten zur Optimierung der Beschaffung genutzt: Die Möglichkeiten sind nicht bekannt oder die Erwartungen der Marktpartner sind bei ersten Kontakten nicht erfüllt worden.

Was erwarten die Marktpartner?

Was erwarten die Marktpartner, also Nachfrager und Anbieter, davon? Für Nachfrager soll neben schnellen und umfassenden Informationsmöglichkeiten ein echtes Global Sourcing ermöglicht werden, die Transaktionskosten sollen sinken, ebenso die Einstandspreise, der gesamte Beschaffungsprozess soll verkürzt werden. Anbieter hoffen, durch die Erschließung eines weiteren Vertriebskanals ihren Absatz ausweiten und bei optimaler Nutzung der Möglichkeiten deutliche Kosteneinsparungen im Vertrieb realisieren zu können sowie Informationen über die Wettbewerbssituation zu erlangen.

Konzepte zur Nutzung des Internets für die Beschaffung

WWW-Homepages der Lieferanten und E-Mail-Anbindung beider Marktpartner liefern nur einen geringen Beitrag zur Erreichung der genannten Ziele, da sie meist nur andere Kommunikations­formen ergänzen. Sofern der Anbieter seine Präsenz im Internet verstärken will, nutzt er hierzu elektronische Kataloge. Der Kunde findet darin schnell und gezielt die von ihm benötigten Informationen über ein Produkt. Soweit die Theorie. Häufig zeigen solche Kataloge nur einen Teil des Sortiments und die darin gebotenen Informationen beantworten nicht die Fragen des Kunden. Die Angebote spiegeln meist eine Push-Strategie wider, die Impulse gehen also vom Vertrieb aus. Es handelt sich um homogene Güter mit einheitlicher Spezifizierung und festen Preisen ohne Verhandlungsmöglichkeiten.

Was ist anders bei Business-to-Business-Markt?

Im Gegensatz zum Business-to-Consumer-Markt treten im Business-to-Business-Markt weitere Eigenheiten hinzu: Es handelt sich bei den Beschaffungsbedarfen um genau, aber individuell spezifizierte Güter. In den elektronischen Katalogangeboten jedoch schwanken die Leistungs­umfänge der Angebote für Produkte verschiedener Hersteller, so dass ein Vergleich nur eingeschränkt möglich ist, die angebotenen Produkte nicht den Erfordernissen und Wünschen des Kunden entsprechen und eine echte Markttransparenz nicht erreicht wird. Die additiv angebotene Möglichkeit, anschließend sofort online bestellen zu können, hilft dabei nicht. Die entscheidenden Impulse gehen im B-to-B-Markt von der Nachfrageseite aus (Pull-Strategie). Die Heterogenität und Komplexität der Güter erfordert, dass der Nachfrager seinen genau definierten Bedarf als Anfrage oder Ausschreibung publiziert. Hierauf können dann die Anbieter reagieren und in eine Verhandlungssituation eintreten, die eine flexible Preisfindung zuläßt.

Was ist neu auf virtuellen Märkten?

Die bisherige Shop-Lösung, bei der ein Anbieter seine Leistungen mehreren Nachfragern offeriert, wird durch einen virtuellen Markt abgelöst, auf dem viele Anbieter auf viele Nachfrager treffen. Die Nachfrager haben zuvor ihren klar definierten Bedarf einschließlich vorgegebener Vertrags­bedingungen publiziert. In einem festgelegten Zeitraum wird nun auf diesem virtuellen Marktplatz eine Auktion durchgeführt: Die (An-)Bieter haben nun die Gelegenheit, ihre Gebote (= Preis) für den ausgeschriebenen Beschaffungsbedarf per Internet zu machen, die Höhe der Gebote wird dabei auch allen Auktionsteilnehmern dargestellt. Das niedrigste Gebot, also der geringste Einstandspreis, erhält schließlich den Zuschlag. Somit erfüllen Online-Auktionen die von den Markpartnern auf Beschaffungs- und Vertriebsseite gesetzten Anforderungen und gelten als Transaktionsform der Zukunft, die die bisherigen Prozesse vielfach ablösen wird. Auch von verschiedenen Marktforschungsinstituten wird ein weltweit stark wachsendes Gesamtvolumen prognostiziert, welches, selbst bei der geringsten Schätzung, im industriellen Bereich im Jahre 2002 bei über 50 Milliarden US-Dollar liegen wird. So gilt es für Unternehmen, sich frühzeitig zu positionieren, um die sich bietenden Wettbewerbsvorteile ausnutzen zu können.

Optimierung

Um Einsparpotentiale optimal nutzen zu können, sollte zunächst die Ausschreibung von Bedarfen im Bereich der Commodities fokussiert werden, da hier mehrere Lieferanten in Frage kommen und keine langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit, beispielsweise in Form von Entwicklungskooperationen, zur Anwendung kommen muss. Was jedoch nicht bedeutet, dass nur kurzfristige Bedarfe gedeckt werden sollen, auch Mehrjahresbedarfe kommen zur Verhandlung. Einen weiteren Vorteil bei Fokussierung auf Commodities bietet die Möglichkeit zur Bündelung der Bedarfe verschiedener Nachfrager, so dass aufgrund des erhöhten Beschaffungsvolumens durch die für den Anbieter verringerte Komplexität nochmals günstigere Einstandspreise resultieren werden. Dies wird insbesondere erleichtert, indem die verschiedenen Nachfrager ihre Beschaffungsbedingungen, zumindest für die Online-Auktionen, vereinheitlichen, wie auf der Anbieterseite durch brancheneinheitliche Liefer- und Zahlungsbedingungen schon geschehen. Manche der virtuellen Marktplätze bieten zusätzliche Dienstleistungen an, um auch kleinen und mittelständischen Unternehmen ein Full-Service-Angebot zur Nutzung von Online-Auktionen unterbreiten zu können. Hierzu zählen beispielsweise die Zusammenarbeit mit Logistik­dienst­leistern und die Einbindung weltweit vertretener Gutachter-Büros, um die Erfüllung der qualitativen Ansprüche der Nachfrager an jedem Ort verifizieren zu können. Um die neuen Technologien in die betriebliche Praxis umzusetzen, wird jetzt an der TU München der Arbeitskreis ‘Virtuelle Märkte - Einkauf von Commodities‘ gegründet. Systematisch werden mit den teilnehmenden Unternehmen Wege zur sinnvollen Nutzung der neuen Beschaffungsinstrumente erarbeitet. Geplant ist nicht nur eine konzeptionelle Grundsteinlegung, sondern die Durchführung von Pilotprojekten auf bereits existierenden virtuellen Marktplätzen. Konkret sollen Vertragsabschlüsse für auszuwählende Commodities realisiert werden. Weitere Informationen sind erhältlich unter Online-Auktionen im Einkauf.

Weiterführende Literatur zum Thema

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