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Wiederholte Durchführung einer Produktklinik während der Neuproduktentwicklung

[15.05.2007]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit sind Unternehmen zunehmend gezwungen, die Herstellkosten von Produkten zu optimieren. Die Produktklinik stellt ein Konzept zur kontinuierlichen Verbesserung auf Produkt- wie auf Prozessebene dar, die auf einer funktionsorientierten Betrachtungsweise und einem systematischen Vergleich mit Wettbewerbsprodukten beruht. Der kontinuierliche Lernprozess im Unternehmen durch eine Produktklinik ermöglicht es, auch bei einer wiederholten Durchführung noch erhebliche Potenziale bei den gleichen Produkten zu erzielen.

Unternehmen unterschiedlicher Branchen sind einem zunehmenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Insbesondere gegenüber der Konkurrenz aus Fernost reicht es nicht mehr aus, sich nur auf einem Image als Premium-Hersteller und dem Gütesiegel "Made in Germany" auszuruhen. Im Spannungsfeld zwischen internem Kostendruck bei gleichzeitiger Nutzenoptimierung für den Kunden gilt es daher, eine kosten- und nutzenoptimale Produktgestaltung zu gewährleisten. Die kontinuierliche Identifizierung und Realisierung von Kostensenkungspotenzialen während des gesamten Produktlebenszyklus sind für viele Unternehmen zu einer Notwendigkeit geworden.

Die Produktklinik basiert auf einer funktionsorientierten Vorgehensweise, die nicht einzelne Bauteile, sondern die Erfüllung von Funktionen für den Kunden in den Fokus der Betrachtung stellt. Ein wichtiges Element der Produktklinik stellt daher die Ermittlung von Kundenanforderungen dar, beispielsweise mit Hilfe einer Conjoint Analyse. Erhebliche Einsparpotenziale lassen sich nur identifizieren, wenn durch den Vergleich mit Wettbewerbsprodukten und durch das Lernen am konkreten Objekt bei der physischen Demontage der Produkte ein kontinuierlicher Lernprozess im Unternehmen implementiert wird. Durch den Methodeneinsatz im Rahmen der Produktklinik werden externes und internes Wissen zusammengeführt. Die Verbindung der systematischen Wettbewerbsanalyse mit der konsequenten Kundenorientierung führt zur Ideengenerierung und -umsetzung. Die Produktklinik greift den größten Teil der Ideen auf, die in Unternehmen und ihrem Umfeld latent vorhanden sind. Eine Untersuchung zeigt, dass knapp 60% der Ideen in Neuprodukten von Kunden, Wettbewerbern und eigenen Mitarbeitern stammen. Weitere 30% können durch die Einbindung von Lieferanten sowie durch Messeaudits in die Produktklinik integriert werden.

Bei der Entwicklung von Neuprodukten setzen Unternehmen zwar ehrgeizige Zielkosten, diese werden jedoch bei 60% der Entwicklungsprojekte nicht erreicht. Nicht selten weisen Kostenverläufe bei Produktentwicklungen eine "Badewannen-Kurve" mit Kostensteigerungen durch technische Änderungen bis kurz vor Serienanlauf auf. Bei frühzeitigem Methodeneinsatz bereits in frühen Konzept- bzw. Entwicklungsphasen sind die Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung am höchsten. Hierbei zeigt sich, dass auch ein wiederholter Einsatz der Produktklinik für gleiche Produkte oder für ähnliche Baureihen erfolgreich ist.

Bei einem international tätigen Fahrzeughersteller führte das TCW beispielsweise eine Produktklinik zum Abschluss der Konzeptphase eines Neuproduktes durch. Obwohl in die Vorentwicklung bereits die Erkenntnisse aus  vier vorherigen Produktkliniken bei ähnlichen Baureihen eingeflossen waren, war es erforderlich, die Herstellkosten weiter zu senken, um die angestrebten Zielkosten aus dem Lastenheft erreichen zu können. Bei der Analyse von fünf Wettbewerbsprodukten wurden auch zahlreiche Mitarbeiter einbezogen, die bei den vorherigen Produktkliniken teilgenommen hatten. Auf diese Weise konnten Erkenntnisse aus dem kontinuierlichen Lernprozess im Unternehmen genutzt und viele zusätzliche Ansätze für Einsparpotenziale erarbeitet werden. Es wurden auch alle Funktionen des Neuproduktes hinsichtlich ihres Kundennutzens erneut hinterfragt sowie eine erhöhte Wiederverwendung von baureihenübergreifenden Gleichteilen angestrebt. Als Ergebnis wurden knapp 200 Maßnahmen definiert, mit denen die Herstellkosten um weitere 14% reduziert werden konnten. Die angestrebten Zielkosten wurden damit sogar deutlich unterschritten, so dass die Geschäftsführung die weitere Entwicklung des Neuproduktes freigeben konnte.

Literatur

  • Produktklinik
    Leitfaden zur Steigerung der Lerngeschwindigkeit und Produktkostensenkung
    ISBN: 3-929918-87-0
  • Produktklinik
    Wertgestaltung von Produkten und Prozessen - Methoden und Fallbeispiele
    ISBN: 3-931511-27-8
  • Produktordnungssysteme
    Leitfaden zur Standardisierung und Individualisierung des Produktprogramms durch intelligente Plattformstrategien
    ISBN: 3-934155-40-5
  • Conjoint Analyse
    Leitfaden zur kundenwertorientierten Produktentwicklung mittels Conjoint Analysen
    ISBN: 3-937236-21-X
  • Software-Produktordnungssysteme
    Leitfaden zum Management effizienter Softwareentwicklung durch intelligente Wiederverwendung
    ISBN: 3-934155-59-6

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