[17.12.2025]
Im Zuge der globalen Neuordnung von Lieferketten rückt Indien immer stärker in den Fokus internationaler Einkaufsstrategien. Während die Produktion in China zunehmend Risiken birgt – von geopolitischen Spannungen bis hin zu steigenden Kosten – sehen viele Unternehmen in Indien eine wertvolle Alternative für ihr De-Risking. Niedrige Arbeitskosten, eine wachsende industrielle Kompetenz und Programme wie „Make in India“ oder die Produktionsanreizprogramme haben das Land zu einem der spannendsten Sourcing-Märkte weltweit gemacht. Doch wer erfolgreich in Indien sourcen will, muss mehr beachten als nur die reinen Kosten.
Indien eignet sich besonders für die Beschaffung von Produkten wie Kabelbäumen, Gussteilen, Elektromotoren, Kunststoffkomponenten und Stanzteilen. Lokale Lieferanten entwickeln zunehmend die Fähigkeiten, nicht nur den heimischen Markt, sondern auch internationale Werke zuverlässig zu beliefern. Durch verpflichtende Qualitätsstandards wie die BIS-Zertifizierung wird die Produktqualität systematisch gesteigert. Viele Unternehmen nutzen diese neuen Möglichkeiten gezielt für Local-for-Global-Strategien: indische Zulieferer beliefern Standorte weltweit – ein entscheidender Schritt, um die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten zu reduzieren.
Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass Indien-Sourcing auch erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Steuerliche und zollrechtliche Fallstricke sind keineswegs theoretischer Natur: Fälle wie Volkswagen (1,4 Milliarden US-Dollar Nachforderung), Kia (150 Millionen US-Dollar Zollforderungen) und BYD (Steuernachzahlungen) verdeutlichen, welche Kostenfehler bei falscher Strukturierung entstehen können.
Ein weiterer oft unterschätzter Aspekt ist die kulturelle Vielfalt Indiens selbst. Der Subkontinent ist keineswegs homogen: Zwischen Nord- und Südindien bestehen erhebliche Unterschiede in Mentalität, Geschäftsgepflogenheiten und Entscheidungsfindung. Hinzu kommen regionale Spannungen und soziale Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen, die Verhandlungen, Vertrauensaufbau und Lieferantenmanagement direkt beeinflussen können. Unternehmen, die diese kulturellen Nuancen nicht kennen oder ignorieren, riskieren, tragfähige Partnerschaften frühzeitig zu gefährden.
Indien hat sich trotz erheblicher Fortschritte bislang nicht als globales Sourcing-Hub etabliert. Ein Hauptgrund ist die begrenzte Markttransparenz: Indische Beschaffungsteams sind lokal stark, verfügen aber außerhalb Indiens über wenig Zugriff auf Lieferantenmärkte wie Europa, ASEAN oder Nordamerika. Zudem fehlt der strategische Vorteil: Regionen wie Mexiko oder Shanghai bieten geografisch bessere Anbindungen und bestehen bereits als etablierte globale Hubs. Auch steuerliche Komplexität ist zu vermeiden. Die Übernahme einer Zwischenhändlerrolle durch Indien würde zusätzliche steuerliche Komplexität schaffen und das Risiko von Doppelbesteuerung, Zollnachforderungen und regulatorischen Problemen erhöhen. Zudem wären Umwege in der Logistikkette erforderlich, was Laufzeiten verlängert und Supply-Chain-Risiken erhöht. Auch organisatorisch sind viele indische Einkaufsstrukturen auf lokale oder exportnahe Beschaffung fokussiert. Während China in einigen Unternehmen globale Steuerungsverantwortung aufgebaut hat, bleibt Indien derzeit primär Produktions- und Exportstandort. Damit bleibt Indien vorerst stark für Local-for-Local und Local-for-Global-Ansätze – für eine echte Global-for-Global-Rolle fehlt es aktuell noch an Reichweite, Struktur und strategischem Mehrwert.
Damit Unternehmen das volle Potenzial Indiens ausschöpfen und gleichzeitig Risiken systematisch managen können, bietet TCW zwei bewährte Instrumente:
Die Einkaufspotenzialanalyse ermöglicht die systematisch Entwicklung von materialgruppenspezifischen Einkaufsstrategien. Sie ermöglicht die Bewertung nicht nur von Kosteneinsparungen entlang der gesamten Supply Chain, sondern berücksichtigt auch logistische Herausforderungen, steuerliche Risiken und kulturelle Besonderheiten. So entsteht ein belastbarer Business Case für Local-for-Local oder Local-for-Global-Strategien.
Ergänzend dazu liefert der Global Sourcing Index eine objektive Einschätzung der Marktrisiken in Bezug auf Länder, Lieferantenstrukturen und regulatorische Rahmenbedingungen. Mehrstufige Tier-X-Ketten lassen sich so resilient entwickeln.
Indien bietet enorme Chancen – gerade im Rahmen von De-Risking-Strategien gegenüber China. Doch nur wer steuerliche, rechtliche und kulturelle Besonderheiten kennt und ernst nimmt, wird langfristig erfolgreich sein. Mit der Kombination aus fundierter Analyse und kulturellem Feingefühl begleitet TCW Unternehmen auf dem Weg zu einer resilienten, nachhaltigen Sourcing-Strategie in Indien.
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