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Decoupling from China

[05.06.2023]

Foto: Nuthawut Somsuk - istockphoto.com

China ist mit seiner schnell wachsenden Wirtschaft und seiner großen Verbraucherpopulation zu einem der wichtigsten Handelspartner für viele europäische Unternehmen geworden. Mit den zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen wächst jedoch die Besorgnis über die Risiken, die mit Geschäften mit China verbunden sind. Viele europäische Unternehmen erwägen eine Abkopplung von China, um die Risiken zu mindern und alternative Märkte für ihre Produkte und Dienstleistungen zu finden. Das TCW unterstützte ein Unternehmen aus dem Maschinenbau bei der Analyse und erstellt individuelle Handlungsoptionen und begleitet die Umsetzung.

Was sind die Gründe sich von China abzukoppeln?

Zur Abkopplung von China gibt es mehrere Gründe:

1. Geopolitische Risiken

In den letzten Jahren haben die Spannungen zwischen China und dem Westen zugenommen, vor allem in Bezug auf Fragen wie Menschenrechte, Handel und Technologie. Dies hat zu einem zunehmend schwer berechenbaren Geschäftsumfeld für Unternehmen geführt, die mit China Geschäfte machen. So ist die chinesische Regierung dafür bekannt, Vergeltungsmaßnahmen gegen Unternehmen zu ergreifen, die ihre Politik kritisieren oder Maßnahmen ergreifen, die sie als Bedrohung ihrer nationalen Interessen ansieht.

2. Risiken in der Lieferkette

Die COVID-19-Pandemie hat die Risiken aufgezeigt, die mit der Abhängigkeit von einem einzigen Land für kritische Lieferungen verbunden sind, da Unterbrechungen in Chinas Lieferketten zu Engpässen bei wichtigen Gütern auf der ganzen Welt führten.

3. Steigende Kosten der Geschäftstätigkeit in China

In den letzten Jahren sind die Kosten für Arbeitskräfte und andere Inputs in China rapide gestiegen, wodurch das Land für viele europäische Unternehmen weniger interessant wurde. Gleichzeitig werden viele chinesische Unternehmen auf dem Weltmarkt immer wettbewerbsfähiger und stellen eine Bedrohung für europäische Unternehmen dar, die in denselben Branchen tätig sind. Das bedeutet, dass die Qualität der Produkte der chinesischen Unternehmen westliche Standards nahezu erreicht und mit ihren Kostenvorteilen in den Markt drängen.

Wie kann man sich von China abkoppeln?

Die Abkopplung von China ist keine leichte Aufgabe, da viele europäische Unternehmen tief in China verwurzelt sind und ein erheblicher Teil ihrer Margen vom chinesischen Markt und der Zulieferindustrie abhängt. Es gibt jedoch mehrere Schritte um ihre Abhängigkeit von China zu verringern und alternative Märkte zu finden:

1. Lieferketten zu diversifizieren

Europäische Unternehmen müssen nach Lieferanten in anderen Ländern wie Vietnam, Indien oder Indonesien aber auch in Europa und den USA suchen, die niedrigere Kosten bieten und weniger anfällig für geopolitische Risiken sind. Auch wurde in Erwägung gezogen, einen Teil der Produktion zurück nach Europa zu verlagern, wo sie mehr Kontrolle über die Lieferkette haben und von kürzeren Vorlaufzeiten und schnelleren Lieferungen profitieren können.

2. Neue Märkte erschließen

In Europa gibt es viele dynamische Volkswirtschaften, die Möglichkeiten für Wachstum und Expansion bieten. Unternehmen können nach neuen Kunden in Ländern wie Indien, Brasilien, Mexiko und USA Ausschau halten, die große und wachsende Verbraucher- aber auch Anbietermärkte bieten.

3. Europäische Unternehmen arbeiten zusammen

Die Zusammenarbeit kann den Unternehmen helfen, Kosten und Risiken zu teilen und Größenvorteile zu erzielen, die sie auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiger machen. Diese Zusammenarbeit erstreckt sich auf alle Funktionen wie Forschung und Entwicklung, Einkauf, Marketing und Vertrieb.

Vorgehensweise im Projekt

Ein Unternehmen trat an TCW heran, da man eine Unabhängigkeit von China in der Supply Chain anpeilt. Verzögerungen und Produktionsausfälle, vor allem jedoch die bedrohenden Risiken im Konfliktfall machten diesen Schritt notwendig. Der Ansatz von TCW gliedert sich hierbei in 6 Module.

Zunächst galt es mit dem Projektteam einen Projektleitfaden aufzusetzen. Dabei wurden bisherige Initiativen und Schritte untersucht und deren aktueller Status festgehalten. Es kristallisierte sich heraus, dass für dieses Projekt Stakeholder aus fast allen Bereichen des Unternehmens mit eingebunden werden müssten. Im Anschluss erfolgte die Datenanalyse, wobei sowohl die Preisentwicklungen einzelner Bauteile aufgezeigt wurden über einen spezifischen Zeitraum als auch eine Internationalization Map erstellt wurde, um zu erkennen, welche Bauteile direkt aus China stammen und bei welchen China als Tier 2 oder Tier 3 Lieferant auftreten könnte. Im crossfunktionalen Team ergaben sich bereits erste Handlungsoptionen.

Es galt es dann die bisherigen Lieferketten zu diversifizieren. Dies kann unter Umständen für Unternehmen ein kostspieliger Prozess sein. Es mussten neue Lieferanten identifiziert werden. Dabei kam das TCW-Tool „KI-gestützte Lieferantensuche“ zum Einsatz. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die Qualität der Produkte und Dienstleistungen den Standards entspricht. Auch wurde analysiert in welche neuen Technologien zu investieren wäre, um die neuen Lieferketten effektiv zu gestalten. Dabei wurden allerdings nicht nur die extern bezogenen Bauteile und Baugruppen betrachtet, sondern auch einzelne Wertschöpfungsschritte wurden untersucht. Auch wurde die Make-or-Buy Frage neu gestellt für sowohl fertige Bauteile als auch für die einzelnen Fertigungsschritte. Speziell im schweren Stahlbau entschied sich das Unternehmen dafür, bestimmte Teile ihrer Produktion im eigenen Unternehmen zu behalten, während sie andere Teile auslagern. Dies wird oft als hybride Lösung bezeichnet, da sie sowohl die Vorteile der Inhouse-Produktion als auch der Auslagerung an externe Lieferanten bietet.

Als nächstes ging es um das Vertragsmanagement, da man mit den bisherigen Lieferanten langfristige Verträge für Projekte unterzeichnet hatte, welche man nicht einfach einseitig kündigen konnte. Da nicht für alle Lieferanten adäquater Ersatz gefunden werden konnte, hat man sich zu einem drastischeren Schritt entschieden: dem Aufbau eigener Supply Chains. Im Speziellen handelte es sich hierbei um Bauteile mit seltenen Erden. Dabei wurden unterschiedliche Unternehmen aus verschiedenen Ländern zusammengeführt. Im konkreten Beispiel ging es dabei um eine Miene in Australien und einen „Veredler“ aus Japan, um China aus dem künftigen Prozess komplett rauszuhalten. Die Diversifizierung der Lieferketten brachte jedoch beträchtliche Vorteile mit sich, wie z. B. ein geringeres geopolitisches Risiko, eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Unterbrechungen der Lieferkette und potentiell niedrigere Kosten.

Weiter wurde die Erschließung neuer Märkte vorangetrieben. Dabei war neben den Anbietermärkten auch die Verbrauchermärkte gemeint, da man nicht nur auf Einkaufsseite aus China heraus wollte, sondern auch beim Absatz unabhängiger werden wollte und sich neue Märkte suchte. Das Unternehmen musste hierfür in Marktforschung, Marketing und Vertrieb investieren, um sich auf neuen Märkten zu etablieren. Es zeichneten sich beträchtliche Vorteile ab, wie z. B. Zugang zu neuen Kunden, geringere Abhängigkeit von einem einzigen Markt und potenziell höhere Einnahmen.

Im vierten Modul wurden mögliche Kooperationen mit anderen Unternehmen, welche vor einer ähnlichen Herausforderung stehen analysiert. Dabei galt es herauszufinden, ob es zwischen den Unternehmen mögliche Synergien gibt. Der Aufwand war hierbei insgesamt etwas größer, da die Unternehmen in Kommunikation, Koordination und möglicherweise gemeinsame Forschung und Entwicklung investieren mussten. Die sich daraus ergebenden Vorteile lagen jedoch auf der Hand: Geringere Kosten, besserer Zugang zu neuen Märkten und Kunden und möglicherweise eine schnellere Markteinführung von neuen Produkten und Dienstleistungen.

Als Ergebnis wurden die Investitionen betrachtet, die sich aus den vorigen Arbeitsmodulen ergeben. Es wurde zunächst eine Ressourcenplanung aufgestellt. Auf Verbraucherseite wurde eine Absatzplanung (ohne China) durchgeführt und verschiedene Szenarien betrachtet. Am Ende erfolgte eine ROI-Rechnung in Form eines Business Cases. Die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben, neue Einnahmequellen zu erschließen und möglicherweise die Abhängigkeit von bestehenden Märkten zu verringern waren beträchtlich, sodass unmittelbar mit der Umsetzung begonnen wurde. Dabei wurden in regelmäßigen Jour Fixe Meetings der Status der Maßnahmen vorangetrieben und auch organisatorisch ein Eskalationsmanagement aufgesetzt.

Fazit

Die genauen Kosten und Vorteile hängen beim „Decoupling from China“ von den spezifischen Umständen ab. Im Fallbeispiel konnte das TCW zeigen, dass die Kosten für die Verringerung der Abhängigkeit von China jedoch durch die potenziellen Vorteile aufgewogen werden. Auch konnte das geopolitische Risiko dramatisch gesenkt werden. In diesem Projekt konnten die gesteckten Ziele allesamt erreicht werden:

  1. In Phase 1 konnten 80% der Bauteile, welche aus China bezogen wurden, in andere Länder verlagert werden. Im Vorfeld erwartete Mehrkosten bei den Bauteilen traten nicht ein, jedoch musste ein Mehraufwand bei den Investitionen eingeplant werden für die Anschaffung von Maschinen sowie die Qualifizierung neuer Lieferanten.

  2. In Phase 2 konnten durch die Teilverlagerung der Lieferantenbasis neue Absatzmärkte erschlossen werden und so local content Anforderungen erfüllt werden.

  3. Im Ergebnis konnte das Geschäftsrisiko drastisch reduziert werden.

Das TCW unterstützt Sie seit mehr als 15 Jahren bei der einer differenzierten Global Sourcing und Wertschöpfungskettenstrategie unabhängig von China. (siehe News „Just don´t go China“ vom 29.04.2008)

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