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Modularisierung als Befähiger für unterschiedliche Wertschöpfungsstufen

[09.02.2021]

Foto: Eisenhans - stock.adobe.com

Viele Industrieunternehmen stehen aktuell vor der großen Herausforderung, ihre Produktionsstrukturen zukunftsfähig zu gestalten, um der zunehmenden Komplexität des Marktes zu begegnen. Im Vordergrund stehen hohe Flexibilität und Wandlungsfähigkeit der Produktionssysteme. Anhand von drei Fallstudien lassen sich die Auswirkungen der Modularisierung auf unterschiedliche Wertschöpfungsstufen anschaulich darstellen.

Modularisierung in Produktion und Montage

Trends der Zukunft wie Industrie 4.0, Digitalisierung oder gesetzliche Vorgaben erfordern einen radikalen Wandel großer wie kleiner Industrieunternehmen bei der Gestaltung ihrer Produktionsstrukturen. Immer umfangreicher ausgestattete Erzeugnisse, kürzere Produktlebenszyklen und ein hoher Kostendruck sind die Herausforderungen der Stunde. Dies alles wirkt sich nicht nur auf die Produktionsprozesse für Teilefertigung und Montage aus, sondern auf das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk mit Lieferanten und Kunden. In den nachfolgenden Fallstudien werden die konkreten Problemstellungen und Lösungsansätze in unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen behandelt.


Fallstudie 1: Teilefertigung bei einem mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus

Steigende Kundenanforderungen führen zu einer signifikanten Erhöhung der Produktkomplexität. Die Vielfalt von Baugruppen und Einzelteilen nimmt kontinuierlich zu und stellt die mechanische Fertigung vor große Probleme, da es nicht mehr ausreicht, nur eine mechanische Bearbeitung von Einzelteilen vorzunehmen. Dies reduziert die Komplexität nicht ausreichend, um in nachfolgenden Wertschöpfungsschritten die Kosten unter Kontrolle zu bringen und die Qualitäts- und Zeitanforderungen der Kunden zu erfüllen. Bereits in der Teilefertigung geht es daher um eine sinnvolle Integration von Einzelteilen zu vormontierten Baugruppen. Bislang wurden alle Einzelteile unter hohen und höchsten Genauigkeitsanforderungen mechanisch bearbeitet – von Zulieferern sowohl mit hohem Preis eingekauft als auch in der eigenen Fertigung aufwendig bearbeitet.

Nach dem Montageprozess erfolgte in vielen Fällen eine erneute mechanische Überarbeitung, weil die Toleranzen überschritten waren. Als Verbesserungsansatz wurde die modulare Gestaltung des Produkts umgesetzt und als Voraussetzung zur Produktionsprozessoptimierung verwendet. Heute können einzelne Bauteile, seien es Grundbausteine eines Moduls oder Ergänzungsbausteine, mit geringeren Oberflächenanforderungen und erweiterten Toleranzbereichen die mechanische Bearbeitung durchlaufen. Bestimmte Bauteile sind sogar direkt nach dem Urformprozess von Zulieferern zu beziehen. Solche Bauteile werden von Zulieferern montiert, die anschließend die Präzisionsbearbeitung des gesamten Moduls durchführen. Das geht nur, wenn diese Unternehmen Montagekompetenz aufbauen, indem sie ihre Mitarbeiter schulen und über Prüf- und Messeinrichtungen sowie Bearbeitungszentren verfügen, mit denen die nun größeren Module bearbeitet werden können.

Fallstudie 2: Montagegestaltung bei einem OEM der Automobilindustrie

Automobilhersteller kämpfen mit immer umfangreicheren Ausstattungspaketen ihrer Fahrzeuge und einer steigenden Derivatevielfalt. Es gibt kaum noch ein Marktsegment, welches nicht besetzt ist. Die Individualisierung der Nachfrage zeigt sich im Automobilmarkt am deutlichsten. Hinzu kommt die steigende Bedeutung des Infotainments, der digitalen Vernetzung von Fahrzeugen, dem autonomen Fahren bzw. den Vorstufen hierzu sowie der Elektromobilität. Nicht nur für die Produktentwicklung, sondern vor allem für die Montage ergeben sich hieraus komplexe Problemstellungen. In der Automobilmontage herrscht häufig Flächenmangel, die Montageeinrichtung ist sehr kapitalintensiv. Montagebänder mit vielen Montagetakten und damit verbundenen langen Durchlaufzeiten führen zu einer schlechten Wettbewerbsposition. Daher müssen Montageprozesse stärker auf Effizienz getrimmt und Verschwendung beseitigt werden. Hier besteht die Lösung darin, Module vorzumontieren, um im Hauptmontagevorgang kurze Bearbeitungszeiten zu realisieren. Dies erfordert ein Umstellen des gesamten Montagesystems. Mit einer Modulmontage – ob bandnah, in Vormontagebereichen in der Montagehalle oder im Modulcenter am oder neben dem Werksgelände – immer wird das Risiko von Bandstillständen und Fehlern erheblich reduziert und in der Folge eine signifikante Erhöhung der Gesamtanlageneffektivität erzielt.

Die Idee dabei ist, vormontierte Module an das Hauptmontageband anzuliefern, die anschließend über standardisierte technische Schnittstellen zu einem Gesamtsystem zusammengefügt werden. Die resultierende Verringerung der Variantenkomplexität in den Hauptmontagetakten führt zu stabileren und beruhigteren Montageprozessen. Insbesondere leistet die Modularisierung einen Beitrag dafür, Zukunftsoptionen zuzulassen statt zu behindern. Hierzu zählen unter anderem die Modulvergabe an Zulieferer, die Ermöglichung von Lieferantenparks zur Kombination von Modulfertigung und Logistikcenter außerhalb der eigentlichen Werksflächen und somit grundsätzlich die Erhöhung der Wandlungsfähigkeit der Produktionssysteme. Insgesamt stärkt dies die Freiheitsgrade für das gesamte zukünftige Setup des Produktionssystems und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Automobilproduktion.

Fallstudie 3: Modularisierung im Lieferantennetzwerk bei Großanlagenbauer in der Windindustrie

Die Windindustrie produziert in geringen Stückzahlen, wobei die Windturbinen oftmals im Detail sehr individuell ausgestattet sind. Einbauten in der Nabe, der Gondel oder im Turm werden aber jetzt vermehrt standardisiert und modularisiert. Damit werden die Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit an Features wirtschaftlicher dargestellt. In dem betrachteten Unternehmen stellten wir fest, dass das Lieferantennetzwerk sehr groß, aber auch sehr lokal ausgerichtet war - aus logistischer Sicht durchaus ein Vorteil, bei näherer Betrachtung aber nicht ideal konfiguriert. Der grundlegende Optimierungsansatz war der weitere Ausbau an standardisierten und modularisierten Bauteilen mit dem Anspruch, Grund- und Erweiterungsmodule zu definieren, um Varianten aus einem Baukasten heraus gestalten zu können. Darauf aufbauend erfolgte ein Kompetenzaudit aktueller und potenzieller Zulieferer. Ziel war es, die Kooperation im Wertschöpfungsnetzwerk mit Lieferanten auf neue Stufen zu stellen. Im Netzwerk gilt es, erweiterte Bearbeitungsumfänge zu übernehmen aber auch Montagekompetenz aufzubauen. Eng verzahnt arbeiten heute die Lieferanten zusammen - weniger als vorher aber auch europaweit statt nur in der Region angesiedelt. Die Übertragbarkeit der Modularisierung funktioniert also auch bei nicht taktgebundenen Produktionen, wobei die Fließmontage in der Windindustrie seit zehn Jahren verstärkt umgesetzt wird, aber immer noch nicht bei allen Herstellern flächendeckend gegeben ist.


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