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Sind Lieferantenparks nur im Greenfield sinnvoll?

[04.08.2021]

Foto: adobe / lassedesignen

Automobilhersteller nutzen seit Jahren in hohem Maße Lieferanten- oder Gewerbeparks. Bei der Planung neuer Standorte sind dabei eine Vielzahl an Einflussfaktoren zu berücksichtigen, um die Entscheidung pro oder contra Lieferantenpark zu treffen. Sind Lieferantenparks sinnvoll oder genügen andere Formen der Lieferantenintegration? Aber auch bei bestehenden Standorten sind Veränderungen möglicherweise ratsam. Die Antworten dazu entwickelte TCW auf Basis mehrerer Projekte bei unterschiedlichsten Rahmenbedingungen.

Ausprägungen eines Lieferanten- oder Industrieparks

Die konzentrierte Ansiedlung von Zulieferern in Lieferantenparks erfolgt je nach den örtlichen Gegebenheiten in einigen Kilometern Entfernung oder direkt neben der Automobilfabrik. Zudem gibt es erfolgreiche Beispiele für auf dem Werksgelände platzierte Lieferantenparks. Überwiegend entstehen sie aus logistischen Gesichtspunkten. In den letzten Jahren ist aber festzustellen, dass die Modularisierung verstärkt mitberücksichtigt wird. Damit wird aus einem Güterverkehrszentrum ein Modul- und Logistikzentrum. Mit der Modularisierung der Fahrzeuge sind die Hersteller bestrebt, ihre Hauptlinie, sprich die Endmontage, zu bereinigen, indem sie verstärkt Module statt Einzelteile montieren. Dabei ist festzulegen, wo und durch wen diese Module vormontiert werden.

Wie ist die Entscheidung für einen Lieferantenpark zu treffen?

In den Projekten haben wir Brown- und Greenfield-Situationen bewertet und sind auf eine Vielzahl von Aspekten und Einflussfaktoren eingegangen, die für eine Entscheidung den Ausschlag geben. Für neue Fabriken sind das bestehende Lieferantennetzwerk und das Netzwerk potenzieller neuer Lieferanten zu bewerten und damit die Entscheidung zu treffen, wer in einen Lieferantenpark einziehen sollte. Neben den mit örtlichen Behörden zu besprechenden Themen wie beispielsweise die Nutzung von Förderprogrammen geht es darum, die Supply Chain möglichst schlank und effizient zu gestalten. In Brownfield-Situationen noch stärker als bei Greenfield, gilt es, die Freiheitsgrade zu definieren und die Ist-Situation aus Sicht aller Bereiche zu berücksichtigen. Wir legen dabei großen Wert auf die integrative Bewertung von Einflussfaktoren aus Entwicklung, Produktion, Logistik und Einkauf.

Im ersten Schritt nutzen wir den Global Sourcing Index. Mit der Bewertung von fünf Bereichen können Umfänge daraus für die Diskussion des Lieferantenparks herangezogen werden:

  1. Länderspezifische Kaufteilkosten von Materialien oder Kaufteilen,
  2. material- und fertigungsspezifische sowie allgemeine Länderbedingungen,
  3. verfügbare Fertigungstechnoligen in einzelnen Ländern,
  4. Wertschöpfungsstruktur für die gewählten Materialien und Kaufteile sowie
  5. Logistikkosten und Zollgebühren.

Nach Auswahl der potenziellen Lieferanten für den Lieferantenpark wird das JIS-Audit durchgeführt. Dabei prüfen wir die Voraussetzungen eines Zulieferers für die JIS-Belieferung anhand von sieben Kriteriencluster:

  1. Materialfluss,
  2. Packmittel,
  3. Kapazitäten,
  4. Informationsfluss,
  5. Notfallorganisation,
  6. Qualität und
  7. Qualifikation für Standard-, Sonder- und Notfallprozesse.

Zur Bewertung der Modularisierung auf Komponenten- und Fahrzeugebene stehen uns Rechenmodelle zur Verfügung, die verschiedene Optionen abdecken, wie beispielsweise:

  • Montage eines Moduls nahe am Einbauort ins Fahrzeug (bandnah),
  • Vormontage in einem Bereich der Montagehalle, in dem auch andere Umfänge zentral montiert werden,
  • Nutzung eines Lieferantenparks mit seinen oben genannten unterschiedlichen Ausprägungen. Hierbei ist es wichtig, zu bewerten, ob einzelne Lieferanten ihre Umfänge vormontieren oder ob ein Dienstleister oder Personal des OEM die Vormontage durchführen sollen.

Wo liegen die Ergebnisse?

Mit der Ausführung von Logistik- und Montageumfängen in einem Lieferantenpark lassen sich Vorteile auf vielen Feldern bündeln. Die Versorgungssicherheit erhöht sich beispielsweise durch

  • einbautaktnahe Modulmontage,
  • wenige Handlingsstufen mit Verantwortung des Lieferanten bis zum Verbauort,
  • schnelle Reaktion auf Änderungen und Störungen und
  • kurze, direkte Kommunikation.

Die Reduzierung der Logistikkosten basiert auf einer Senkung von

  • Bestandskosten durch Abbau von Lagerbeständen mit später Wertschöpfung und Variantenbildung,
  • Durchlaufzeiten durch verbesserte Lieferantenintegration,
  • Transportkosten durch Entfall von Transporten,
  • Behälterkosten aufgrund kurzer Umlaufzeiten der Behälter, Verzicht auf Behälter, einfachere Spezialbehälter oder Verzicht auf Verpackung,
  • Handlingskosten aufgrund einfacherer Verpackungskonzepte, Fördertechnik inkl. der Leergutrückführung sowie
  • einer gemeinsamen Nutzung von Logistikstrukturen.

Zudem lassen sich Risiken reduzieren, weil

  • eine schnelle Erweiterung oder Reduzierung benötigter Flächen sowie teile- und technologieunabhängige Belegung des Lieferantenparks ohne große Investitionen bei Mieterwechsel möglich ist,
  • ein reduzierter Aufwand für Supplier Quality Management anfällt und
  • eine deutlich höhere Flexibilität bei Umbaumaßnahmen besteht.

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