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Wie ein Medizintechnikhersteller neue Märkte in Asien erschließt

[11.12.2014]

Foto: Mimi Potter / fotolia.com
Für eine erfolgreiche Produktvermarktung in den Emerging Markets sollte ein bestehendes Produkt des Medizintechnikherstellers so angepasst werden, dass dieses in China produziert und vermaktet werden kann. Von wesentlicher Bedeutung waren die Qualifizierung der Mitarbeiter und die Organisation des Know-How Transfers zwischen den Standorten und der Zentrale in Europa.

Ausgangssituation und Zielsetzung

Die Zielsetzung des Unternehmens bestand darin, ein erfolgreiches Produkt im Bereich der Medizintechnik in den Emerging Markets anzubieten. Vor allem China war als interessanter Absatzmarkt identifiziert worden. Der Ausgangspunkt war dadurch charakterisiert, dass mit einer Modifikation des Produktes der Marktzugang nach China sichergestellt und eine zielgerichtete Marktentwicklung erfolgen sollte. Dazu sollte eine autarke Organisation mit umfassendem technischen Know-how in China aufgebaut werden. Die Gründe für den Aufbau einer eigenen Organisation in China waren vielfältig. Es bestand bereits frühzeitig der Grund zur Annahme, dass Verschärfungen hinsichtlich der Marktregulierung für ausländische Produktanbieter in China zu erwarten seien. Man ging davon aus, dass es erforderlich sein würde, Wertschöpfung nach China zu verlagern, um keine Wettbewerbsnachteile aufgrund staatlicher Restriktionen zu erleiden. Daneben sollten die Produktionskosten gesenkt werden. Um die Kunden schnell bedienen zu können, mussten kurze Entscheidungswege und klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Eine Steuerung der Produktionsstätte aus Deutschland wäre aufgrund der Zeitverschiebung und der Sprachbarrieren schwierig gewesen.

Vorgehensweise

Organisatorisch erfolgte der Aufbau der Einheit zunächst durch die Etablierung von Dotted Lines im Organigramm. Somit waren zu Beginn die deutschen Verantwortlichen für einzelne Funktionen auch verantwortlich für die entsprechende Funktion in China. Durch Expats, Trainings und intensive Zusammenarbeit zwischen deutschen Führungskräften und ihren chinesischen Kollegen konnte die Kompetenz am Standort China sukzessive aufgebaut werden. Durch den Aufbau der schlagkräftigen Organisation in China konnte die Kommunikation auseinandergehalten werden und eine produktfokussierte Sicht auf die Märkte sichergestellt werden. Neben der technischen Kompetenz beinhaltete die Organisation in China auch Vertriebs-, Service- und Qualitätsfunktionen.
Um den Start der neuen Organisation zu erleichtern und um das Risiko zu minimieren, wurde ein funktionierendes, erprobtes Produkt nach China gegeben. Das Produkt wurde nun speziell auf die chinesischen Markt- und Kundenbedürfnisse angepasst, indem kleinere Modifikationen am Produkt vorgenommen wurden. Die Modifikationen widmeten sich verstärkt der Adaption der Produktergonomie auf chinesische Bedürfnisse sowie ein konsequentes Cost Engineering. Es wurde also bewusst keine Neuentwicklung für den chinesischen Markt vorgenommen, sondern eine Modifikation der bestehenden Produktfunktionen.

Aufgrund der hohen Marktnachfrage und der damit einhergehenden hohen Stückzahlen konnten Lern- und Erfahrungskurveneffekte rasch realisiert werden. Kostensenkungen wurden insbesondere durch lokales Sourcing erzielt. Diese Effekte führten zu erheblichen Herstellkostensenkungen. Die Diversifizierung der Zulieferbeziehungen hat zudem dazu geführt, einen Leistungsvergleich der Lieferantenbasis in Europa und China vorzunehmen. Auf diese Weise wurde ein produktiver Leistungswettbewerb bezogen auf die Lieferanten eingeleitet. Zudem konnten durch das Local Sourcing in China auch neue wettbewerbsfähige Lieferanten identifiziert werden. Die Lieferanten konnten schnell qualifiziert werden, sodass die Qualitätsziele vollumfänglich erfüllt wurden. Durch die Verlagerung der Wertschöpfung nach China konnten auch die Währungsrisiken gesenkt werden. Zudem hatten alle Prozesse in China einen Hauptverantwortlichen in Deutschland, um die Sicherstellung der Prozess- und Qualitätsstandards zu gewährleisten. Durch den intensiven Einsatz der Mitarbeiter konnte die Eigenständigkeit der Organisation in China zügig erreicht werden.

Bereits heute übernimmt der chinesische Standort die Produktpflege von höherwertigen Komponenten. Auch die Zulieferer haben eigene Produktionsstätten in China aufgebaut und somit ihre Kostenposition erheblich verbessert. Insgesamt ließ sich bei diesem Vorgehen festhalten, dass die Technologierisiken eher gering, jedoch die Organisationsrisiken tendenziell etwas höher waren. Heute stellt das größte Problem die eigene Wachstumsdynamik des Standortes in China dar. Qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte werden heute vielerorts an anderen Stellen benötigt. Es besteht somit die Herausforderung, eine Instabilität des Produktionsnetzwerkes in China zu vermeiden, indem die Strategie angepasst wird. In Zukunft wird es noch wichtiger sein, fähige Mitarbeiter in den relevanten Führungspositionen zu verankern, um die Strategie weiterhin erfolgreich umsetzen zu können. Daneben wird die Zusammenarbeit mit lokalen Zulieferern ein wichtiger Stellhebel für die Ausschöpfung von Kostenvorteilen sein. Nicht zuletzt ist es entscheidend, Quantensprünge in Bezug auf Technologieinnovationen in Deutschland zu erreichen, um die Standards permanent zu erhöhen. Davon profitiert wiederum der chinesische Standort, weil Produkt- und Prozess-Know-how transferiert werden kann. Auf diese Weise schafft man ein herausforderndes und attraktives Arbeitsumfeld für die Belegschaft und kann die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen langfristig erhöhen. Rückblickend wird dieser Transfer als voller Erfolg angesehen. Der Markterfolg des Produkts in den aufstrebenden Volkswirtschaften übersteigt die ursprünglichen Erwartungen. Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist in der Isolation einzelner Risiken im Rahmen des Projekts zu sehen. Durch die Verwendung eines technologisch ausgereiften Produkts konnten Technologierisiken auf ein Mindestmaß reduziert werden, sodass die organisatorischen und operativen Risiken des Transfers nach China im Fokus standen.

Lessons Learned

Wichtig ist die Schaffung eines umfassenden Kundenverständnisses im Unternehmen, um Produkte und Prozesse auf die Marktanforderungen auszurichten. Dazu gehören die systematische Erfassung der Kundenanforderungen und deren Überführung in technische Produktmerkmale. Die Produktgestaltung ist so zu organisieren, dass ein hoher Kundennutzen generiert wird. Für weltweit operierende Unternehmen hat dies zur Folge, dass Produktmodifikationen erforderlich sind, um lokale Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen. Daneben ist eine konsequente Innovationsorientierung vonnöten. Produkt- und Prozessinnovationen sind langfristig die einzige Überlebenschance für Technologieunternehmen. Im Unternehmen müssen dafür alle Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass innovatives Denken und Handeln bei der Produkt- und Prozessgestaltung ermöglicht wird. Es ist von wesentlicher Bedeutung, das Ideen- und Kreativitätspotenzial der Mitarbeiter auszuschöpfen. Dies gelingt durch die Schaffung organisatorischer Spielräume für die Entfaltung des Innovationspotenzials der Belegschaft. Daneben müssen Investitionen in Forschung und Entwicklung, Entwicklungskooperationen mit Lieferanten und eine permanente Verbesserung der Prozessabläufe umgesetzt werden. Die Stärkung der Mitarbeiterqualifikation trägt wesentlich dazu bei, Quantensprünge hinsichtlich der eigenen Innovationskraft zu realisieren und somit den Grundstein für eine langfristige Unternehmenswertsteigerung zu legen.

Publikationen

  • Lean Management
    Leitfaden zur Einführung schlanker Unternehmensstrukturen und Geschäftsprozesse
  • Anlaufmanagement
    Leitfaden zur Verkürzung der Hochlaufzeit und Optimierung der Anlaufphase und Auslaufphase von Produkten
  • Global Sourcing
    Leitfaden zur Erschließung internationaler Beschaffungsquellen
  • Kundenorientierung
    Einführung eines Beschwerdemanagements und Ausrichtung von Vertrieb, F&E, Produktion und Mitarbeitern auf Kundenbedürfnisse

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